sozial-Recht

Bundessozialgericht

Behinderter Schüler: Kein Unfallschutz nach verschlucktem Essen



Kassel (epd). Das Essen während einer schulischen Abschlussfeier steht in der Regel nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Verschluckt sich ein behinderter Schüler einer Förderschule an einem Mozzarellastück so stark, dass er einen Atemwegsverschluss erleidet und ins Wachkoma fällt, ist der in der Schule aufgetretene Unfall nicht als „Arbeitsunfall“ zu werten, wie das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel am 31. März urteilte.

Der körperbehinderte und auf einen Rollstuhl angewiesene Kläger litt seit seiner Kindheit an einer Kehlkopfveränderung. Diese hatte zur Folge, dass häufig Speisen und Getränke in die Atemwege eindrangen und mitunter aus der Luftröhre entfernt werden mussten. Den ärztlichen Rat, Speisen nur püriert zu sich zu nehmen, lehnte er wegen der damit verbundenen Einschränkung seiner Lebensqualität ab.

Kläger im Wachkoma

Als er seinen Hauptschulabschluss an der von ihm besuchten Förderschule mit angeschlossenem Internat in Niedersachsen erlangte, wurde dies für die Schüler mit einer Abschlussfeier am 8. Juli honoriert. Die Schule stellte auch ein Buffet bereit. Eine Sozialpädagogin sollte auf Wunsch des damals 19-jährigen Klägers ein Stück Mozzarella klein schneiden und ihm reichen.

Doch das Käsestück geriet in die Luftröhre. Es kam zum Atemwegsverschluss und anschließenden Hirnschaden. Seitdem befindet sich der Kläger im Wachkoma. Die Schülerunfallversicherung, die Unfallkasse Hessen, lehnte die Anerkennung als Arbeitsunfall ab. Die Nahrungsaufnahme sei rein privatwirtschaftlich und damit nicht versichert gewesen. Der Anwalt des behinderten Klägers verwies dagegen darauf, dass es sich um eine schulische Veranstaltung gehandelt habe. Das Essen sei ihm von einer Schulkraft als „Dienstleistung“ gereicht worden.

Doch die Klagte hatte vor dem BSG keinen Erfolg. Es liege kein versicherter Arbeitsunfall vor. Zwar habe sich der behinderte Kläger im organisatorischen Verantwortungsbereich der Schule befunden. Aber weder lag die Ursache des Unfalls in dem gemeinsamen schulischen Essen, noch in der Entgegennahme des mundgerecht geschnittenen Mozzarella-Stücks. Der Unfall beruhte vielmehr auf einem „unwillkürlichen Reflex“ beim Schlucken, der nicht der versicherten Tätigkeit als Schüler zugerechnet werden könne.

Az.: B 2 U 5/20 R