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Armut

Fachverband: Corona hat Wohnungslosigkeit verschärft




Obdachloser mi Sammelbecher auf einer Brücke
epd-bild/Rolf Zöllner
Wer in Zeiten steigender Immobilienpreise einmal seine Wohnung verliert, hat es schwer, aus der dadurch entstehenden Notsituation wieder herauszukommen. Für die Betroffenen ist es wegen Behördenschließungen noch schwieriger, an Hilfen zu kommen.

Berlin (epd). Die Corona-Pandemie hat die Situation für Wohnungslose und diejenigen, die ihnen Hilfen anbieten, noch komplizierter gemacht. „Mit der Corona-Krise hat sich die prekäre Lebenslage wohnungsloser Menschen nochmals dramatisch verschlechtert“, beklagte die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosigkeit (BAG W), Susanne Hahmann, am 1. März in Berlin. Der zweite Pandemie-Winter habe die Betroffenen ebenso wie die Mitarbeitenden des Hilfesystems erneut vor enorme Herausforderungen gestellt.

Hilfseinrichtungen langfristig sichern

Beratungsstellen versuchen demnach, ihre Hilfen auch auf telefonischem Wege oder online anzubieten. „An vielen Stellen wird improvisiert, um möglichst jeder und jedem ein sicheres Übernachtungsangebot machen zu können, auch wenn es an zusätzlichen Räumlichkeiten mangelt“, sagte Hahmann. Zwischen umfangreichen Infektionsschutzmaßnahmen und dem Bemühen, eine niedrigschwellige Versorgung der Hilfesuchenden zu gewährleisten, setzten die Mitarbeitenden sich selbst hohen Infektionsrisiken aus, betonte die Vorsitzende der Bundesarbeitsgemeinschaft.

Vor diesem Hintergrund fordert die Bundesarbeitsgemeinschaft die Umsetzung des von der Bundesregierung angekündigten Aktionsplans gegen Wohnungslosigkeit. Es müsse darum gehen, wie die Einrichtungen langfristig gesichert und für den Krisenfall sowie für eine Normalität gewappnet werden können, in der bezahlbarer Wohnraum immer knapper wird.

Um ihre Angebote in der derzeitigen Corona-Lage dennoch weitgehend aufrechterhalten zu können, arbeiteten die Dienste und Einrichtungen der Wohnungsnotfallhilfe unter größten personellen und finanziellen Anstrengungen, sagte Hahmann. Laut einer Mitgliederbefragung der Bundesarbeitsgemeinschaft vom vergangenen Herbst mussten knapp 20 Prozent der Einrichtungen ihr Angebot einschränken. Davon betroffen seien besonders niedrigschwellige Tagesaufenthalte.

Wohnungspolitik als Daseinsvorsorge

Wohnungsnotfallhilfe müsse explizit der kritischen Infrastruktur zugerechnet werden, forderte die Geschäftsführerin der Bundesarbeitsgemeinschaft, Werena Rosenke. Spätestens die Erfahrungen der vergangenen zwei Jahre hätten die Notwendigkeit dieses Schritts vor Augen geführt.

Neben der Schaffung von bezahlbarem Wohnraum seien Mechanismen erforderlich, um wohnungslosen Menschen den Zugang zu Wohnungen zu ermöglichen, etwa durch eine Quote von Wohnungen, die explizit den betroffenen Haushalten zur Verfügung stehen. „Es ist eine soziale Wohnungspolitik gefordert, die sich als Daseinsvorsorge begreift“, mahnte Rosenke.

Viele wohnungslose Menschen, die ohne Unterkunft auf der Straße oder in Sammelunterkünften leben, gehörten derzeit zur Corona-Risikogruppe, beklagte die Bundesarbeitsgemeinschaft. Ohne Schutz in den eigenen vier Wänden könnten sie weder soziale Kontakte reduzieren noch notwendige Hygienemaßnahmen einhalten.

Bettina Gabbe