Mannheim/Karlsruhe (epd). Kinder trauern anders als Erwachsene. Ihre Gefühle wechseln schnell. Sie springen immer wieder von der „Trauer- in die Lachpfütze“, sagt Stefanie Schnitzler vom Ökumenischen Kinder- und Jugendhospizdienst „Clara“ beim Diakonischen Werk Mannheim. „Clara“ hat gerade eine neue Trauergruppe für Grundschulkinder begonnen.
In der Trauergruppe kommen 14 Kinder ein halbes Jahr lang regelmäßig zusammen, um den Verlust eines Angehörigen zu verarbeiten. Wie schwer der Verlust wiegt, hänge mit der Beziehung zu dem Verstorbenen zusammen, erklärt die Koordinatorin. Auch die Umstände spielten eine Rolle: Konnte das Kind Abschied nehmen, gibt es ein Grab, war das Kind bei der Beerdigung dabei?
Existenziell für ein Kind ist der Tod eines Elternteils. Er verändert den Alltag und das Leben tiefgreifend. Um Erwachsene zu schonen, unterdrücken Kinder schon mal ihre Trauer. „Sie wollen nicht, dass die Mutter, der Vater noch trauriger werden, als sie ohnehin schon sind“, weiß Schnitzler. Damit überfordern sie sich jedoch.
In ihrem Lebensumfeld sind trauernde Kinder oft allein gelassen, etwa wenn in der Schule die Unterschrift beider Elternteile verlangt werde. Ist ein Elternteil verstorben, werde in diesem Moment die Trauer getriggert, erklärt Schnitzler. „Kinder trauern dann, wenn sie die Trauer nicht mehr elementar bedroht“, sagt sie.
Dafür bietet die Kindertrauergruppe der Diakonie einen neutralen Raum. Auf dem weichen Teppich sitzend können Mädchen und Jungen ihre Ohnmachtsgefühle mit Gleichgesinnten teilen.
Lieder, Krafttiere, Rituale helfen in der Kindertrauergruppe, die Trauer zuzulassen. Alles kann, nichts muss. Die Kinder dürfen über den oder die Verstorbene reden, sie basteln Erinnerungskisten oder malen. Auch Bilder eröffnen einen Weg ins Innenleben.
Oder die Kinder kuscheln in der Stunde bei Brigitte Wörner auf dem Sofa. Die gelernte Kindertrauerbegleiterin kennt sich mit Trauer junger Menschen aus. „Kinder sind in der Trauer offener, ehrlicher und weniger erzogen“, ist ihre Erfahrung. Sie könnten kurzfristig „einen Schalter umlegen“, sagt Wörner.
Ganz authentisch zeigten sie Tränen oder Wut, seien laut, um plötzlich wieder einen Witz zu erzählen und zu lachen. Kinder lebten mehr im Hier und Jetzt, Erwachsene wollten „funktionieren“, weiß Wörner. Die Trauerbegleiterin plädiert dafür, kindliche Trauer ernst zu nehmen. Erwachsene täten sich damit oft schwer, seien selbst verunsichert. Indem sie das Kind vor einem „schwierigen Gefühl“ schützen wollen, neigen Erwachsene dazu, Tod und Sterben auszuklammern.
Inzwischen beobachtet die Fachfrau für Trauer ein Umdenken. Gerade Bestatter fragten zunehmend, ob bei der Beerdigung auch Kinder dabei seien. Auf dem Karlsruher Hauptfriedhof gibt es seit einigen Jahren das bundesweit erste Themenfeld „Kinderwelten“. Trauer gelte es ins Leben einzuordnen.
Wer nicht trauern darf, wird krank. Es ist unbestritten, dass Herzbeschwerden, Aggression oder Posttraumatische Belastungsstörungen mit nicht verarbeiteten Verlusten zusammenhängen können. Trotzdem übernehmen Krankenkassen die Kosten für Trauergruppen nicht.
Der Bundesverband Kinderhospiz in Lenzkirch bei Freiburg setzt sich seit Jahren für eine Kostenübernahme von psychosozialen Präventionsmaßnamen ein - bisher ohne Erfolg. „Die Krankenkasse bezahlt erst, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist“, sagt Geschäftsführerin Sabine Kraft. Sie sieht primär die Bundesländer über die Kinder- und Jugendhilfe in der Pflicht.