Berlin (epd). Der Mindestlohn soll nach dem Willen der Bundesregierung zum 1. Oktober auf zwölf Euro pro Stunde steigen. Das Bundeskabinett billigte am 23. Februar eine Vorlage von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), die eine einmalige gesetzliche Erhöhung der Lohnuntergrenze vorsieht. Derzeit beträgt der Mindestlohn 9,82 Euro. Im Juli steigt er bereits auf 10,45 Euro. Mit der Mindestlohnerhöhung soll zudem die Verdienstgrenze in Minijobs auf 520 Euro angehoben werden.
Heil zufolge profitieren rund sechs Millionen Menschen in Deutschland von einem höheren Mindestlohn, vor allem Frauen und Beschäftigte in Ostdeutschland. „Ein armutsfester Mindestlohn ist eine Frage der Leistungsgerechtigkeit und des Respekts vor ehrlicher Arbeit“, erklärte er. Die Höhe des Mindestlohns läge nach der Erhöhung bei rund 60 Prozent des Durchschnittseinkommens in Deutschland. Der derzeitige Mindestlohn in Deutschland entspricht nach Angaben des Statistischen Bundesamts derzeit etwa 48 Prozent des mittleren Bruttoverdienstes.
Heil sagte, die Anhebung des Mindestlohns sei auch aus ökonomischer Sicht von Vorteil: „Denn damit stärken wir die Kaufkraft und geben einen wichtigen Impuls für die wirtschaftliche Erholung.“ Der Minister versuchte damit der Kritik von Arbeitgebern zu begegnen, die die politische Festlegung des Mindestlohns ablehnen. Seit 2015 gilt in Deutschland eine gesetzliche Lohnuntergrenze. Er wird eigentlich in einer Kommission von Vertretern der Arbeitgeber und Gewerkschaften ausgehandelt. Die Koalition aus SPD, Grünen und FDP hat vereinbart, die Lohnuntergrenze einmalig per gesetzlicher Festlegung auf zwölf Euro anzuheben.
Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger sagte, die vertrauensvolle Zusammenarbeit der vergangenen Jahre in der Mindestlohnkommission werde damit „schwer gestört“. Er sprach von einem folgenschweren Systemwechsel von einer tarifpolitisch geprägten Mindestlohnentwicklung zu einer „Staatslohnentwicklung“. Bei Einführung des Mindestlohns habe die Politik die Zusage gegeben, „dass die Mindestlohnkommission den Mindestlohn festlegt. Dieses Versprechen wird nun gebrochen und macht den Mindestlohn zum Spielball der Politik“, so der Präsident.
Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Union im Bundestag, Stephan Stracke (CSU), sagte, der Mindestlohn drohe zu einem „politischen Spielball“ zu werden. Die Lohnfindung liege in einer sozialen Marktwirtschaft in den Händen der Sozialpartner. „Dort ist sie gut aufgehoben. Mit der Festsetzung des Mindestlohns auf 12 Euro werden die Sozialpartner entmachtet. Mehr als 100 Tarifverträge werden ausgehebelt“ Damit schwäche die Regierungskoalition die Sozialpartnerschaft, obwohl sie sich in ihrem Koalitionsvertrag gerade die Stärkung der Tarifpartnerschaft auf die Fahne geschrieben habe, so Stracke.
Im nächsten Jahr soll nach den Plänen von Heil wieder die Mindestlohnkommission die Höhe der Lohnuntergrenze festlegen, die dann ab 2024 gelten wird. Die Kommission selbst gab zum Kabinettsbeschluss bekannt, dass sie in diesem Jahr nicht wie üblich ihren Bericht zu den Auswirkungen des gesetzlichen Mindestlohns vorlegen wird. Er diene vor allem als Grundlage für die Anpassung, erklärte der Vorsitzende Jan Zilius. Für einen Bericht in diesem Jahr gebe es somit keinen Bedarf. Aber: „Die Kommission setzt gleichwohl ihre Evaluationsaufgabe, wie auch im Mindestlohnerhöhungsgesetz vorgesehen, fort und wird im Bericht 2023 ihre bis dahin vorliegenden Forschungsergebnisse detailliert dokumentieren.“
Mit der Anhebung der Entgeltgrenze bei Minijobs will die Bundesregierung dafür sorgen, dass in diesen Beschäftigungsverhältnissen weiter zehn Arbeitsstunden pro Woche unter Beachtung des Mindestlohns möglich sind. Kritik daran kommt von Gewerkschaften. Das komme einer Ausweitung prekärer Beschäftigung gleich, erklärte die IG Metall.
Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di startete einen Aufruf gegen die Anhebung der Minijob-Grenze. „Die Ausweitung der Hinzuverdienstgrenze auf 520 Euro ist eine krasse Fehlentscheidung der Ampelkoalition. Damit ist Altersarmut, insbesondere von Frauen, programmiert. Denn sie werden die Hauptleidtragenden dieser Entscheidung sein“, kritisierte der ver.di-Vorsitzende Frank Werneke. Von der Neuregelung betroffen seien bundesweit rund sieben Millionen Beschäftigte, rund 70 Prozent der ausschließlich geringfügig entlohnten Beschäftigten seien Frauen. Über die Gesetzespläne der Regierung muss der Bundestag noch entscheiden.