Münster (epd). Gesetzestreu ja, aber auch pragmatisch in der Umsetzung der Vorgaben zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht, so kann man die Position der Alexianer beschreiben. „Wir tun alles dafür, dass uns keine einzige Mitarbeiterin, kein einziger Mitarbeiter verlorengeht, weil er oder sie sich nicht hat impfen lassen. Entlassen möchten wir niemanden.“ Die Folge: Unbezahlte Freistellungen - und die Perspektive für die Betroffenen, nach dem Ende der Imfpflicht wieder im Unternehmen arbeiten zu dürfen. Die Fragen stellte Dirk Baas.
epd sozial: Viele Experten und inzwischen auch Fachverbände aus der Pflege- und Gesundheitswirtschaft halten die einrichtungsbezogene Impfpflicht für verfehlt, wenn nicht unmittelbar auch eine allgemeine Impfpflicht beschlossen wird. Wie ist Ihre Haltung dazu?
Karsten Honsel: Die primäre Idee, vulnerable Gruppen zu schützen, also genau die Menschen, die sich uns anvertrauen, halten wir für absolut richtig und wichtig. Zu deren Schutz haben wir uns als Alexianer verpflichtet, das liegt in unserer DNA. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist dafür ein wesentliches Instrument. Wir sehen eine allgemeine Impfpflicht als eine moralische Verpflichtung, insofern ist eine Impflicht für die Pflege- und Gesundheitswirtschaft moralisch nachvollziehbar. Am Ende ist es eine juristische und politische Frage und sollte an den entsprechenden Stellen diskutiert werden.
epd: Niemand weiß, wie viele Corona-Wellen noch kommen und ob die heute vorhandenen Impfstoffe auch gegen weitere Virusvarianten schützen. Spricht das nicht gegen eine Impfpflicht, von der noch nicht einmal bekannt ist, wie lange und für welche Altersgruppen sie gelten soll?
Honsel: Wichtig ist doch, dass die Impfstoffe vor schweren Verläufen schützen und dass sie auch an die neuen Varianten angepasst werden. Für Omikron wird uns eine Impfpflicht nichts mehr nutzen, für die Zeit ab März sollten wir jedoch unbedingt vorbereitet sein. In eine juristische Diskussion möchte ich nicht einsteigen, bei uns steht die moralische Verpflichtung zur Impfung im Mittelpunkt.
epd: Die einrichtungsbezogene Impfpflicht ist Gesetz, doch ob sie überall fristgerecht umgesetzt wird, scheint fraglich. Wie gehen die Alexianer mit den Vorgaben um und wie bereiten sie sich darauf vor, dass Fachkräfte verloren gehen?
Honsel: Wir haben in allen unseren Einrichtungen extrem für eine Impfung geworben, immer wieder Impfangebote unterbreitet, mit ungeimpften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern intensive Gespräche geführt. Da erfahren sie viel über die persönlichen Beweggründe, viel über familiäre Herausforderungen, die die einrichtungsbezogene Impfpflicht mit sich bringt. Wir tun alles dafür, dass uns keine einzige Mitarbeiterin, kein einziger Mitarbeiter verlorengeht, weil er oder sie sich nicht hat impfen lassen. Entlassen möchten wir niemanden.
epd: Manche Bundesländer haben bereits Bußgelder festgelegt, wenn die Einrichtungen nicht die ungeimpften Mitarbeitenden an die Gesundheitsämter melden. Braucht es wirklich solche Drohkulissen, um das Gesetz umzusetzen?
Honsel: Ich finde den Begriff „Drohkulisse“ schwierig, zudem bedarf es ihr schlichtweg nicht. Wenn der Staat Regelungen schafft, dann sollten auch die entsprechenden Wege zur Durchsetzung klar sein. Die Häuser und Einrichtungen des Alexianer-Verbundes werden sich an die Meldeverpflichtung halten. Über ein Betretungsverbot entscheidet dann das Gesundheitsamt. Ob die Gesundheitsämter diese Aufgabe flächendeckend überhaupt erfüllen können, ist allerdings eine andere Frage - vielerorts scheinen sie wegen Überlastung dazu nicht in der Lage.
epd: Wie ist der derzeitige Impfstatus bei Ihren Mitarbeitenden und lässt sich die Quote womöglich noch durch den Impfstoff von Novavax erhöhen, worauf ja die Politik schon fast verzweifelt setzt?
Honsel: Bei fast 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist die Welt sehr bunt. Das heißt, dass es auch bei den Alexianern Menschen gibt, die nicht geimpft sind. Insgesamt haben wir eine sehr hohe Impfquote, die deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Es gibt Einrichtungen in denen 100 Prozent geimpft sind, aber auch welche, in denen ein paar wenige sich aus verschiedenen Gründen nicht haben impfen lassen. Und ja, auch wir hoffen, mit Novavax die Impflücke möglichst zu schließen.
epd: Wie gehen Sie mit impfunwilligen Beschäftigten um? Heißt Betretungsverbot zunächst mal nur Freistellung ohne Lohn oder kommt es tatsächlich zu Kündigungen?
Honsel: Wir würden jedes ausgesprochene Betretungs- oder Tätigkeitsverbot äußerst bedauern. Denn diese Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern stünden dann nicht mehr für Pflege und Begleitung der Menschen, die sich uns anvertraut haben, zur Verfügung. Das könnte partiell durchaus zu Herausforderungen führen. Nach Erteilung eines Betretungs- oder Tätigkeitsverbots durch das Gesundheitsamt werden Mitarbeiter unbezahlt freigestellt, wir kündigen die Arbeitsverhältnisse aber nicht - uns ist daran gelegen, dass die Bestandsmitarbeiter wieder zu uns zurückkommen, spätestens wenn die Gesetzesregelung Ende 2022 ausläuft.
epd: Halten Sie die Vorgaben dazu von Bund und Ländern für präzise und ausreichend genug?
Honsel: Die öffentliche Diskussion zeigt, dass die Regelungen für das Bestandspersonal stellenweise unscharf formuliert wurden. Im Unterschied dazu ist hingegen das Beschäftigungsverbot für ungeimpfte neue Mitarbeiter ab dem 16. März eindeutig.
epd: Selbst, wenn die Zahl der Betroffenen, die nicht arbeiten dürfen, womöglich nur im kleinen Prozentbereich liegt, hätte das nicht trotzdem gravierende Folgen für die Versorgung der Patienten?
Honsel: Wir können die Versorgung auf hohem Niveau gewährleisten. Das ist unser Versprechen an die Menschen, die zu uns kommen. Es wird keine gravierenden Folgen geben. Unsere Häuser und Einrichtungen sind sehr versiert darin, flexibel auf medizinische Anforderungen und Personalbedarfe zu reagieren.