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Corona

Caritas: Viele offene Fragen bei der Teil-Impfpflicht




Auch in den Apotheken wird jetzt gegen Corona geimpft
epd-bild /Thomas Lohnes
Wo man auch hinhört in der Sozialbranche: Mit den Vorgaben zur Umsetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht fühlen sich die Träger durchweg alleingelassen. Die Länder sind am Zug, doch bislang sind Verordnungen nur angekündigt. Auch die Caritas in Münster hofft auf klare Vorgaben.

Münster (epd). Der Diözesancaritasverband Münster verweist bei der Umsetzung der Impfpflicht für die Pflege auf noch zahlreiche ungelöste Fragen sowohl juristischer wie auch praktischer Art. Das sei bei einem Online-Treffen von gut 50 leitenden Mitarbeitenden aus Altenheimen, Pflegediensten und Krankenhäusern deutlich geworden, heißt es in einer Mitteilung vom 18. Februar. Doch weit größere Schwierigkeiten sieht Diözesancaritasdirektor Heinz-Josef Kessmann in der Zahl der infizierten Mitarbeitenden. Er wiederholte die Forderung nach einer schnellen Einführung der allgemeinen Impfpflicht.

Die sei nötig, so Kessmann, auch weil in den eigenen Diensten und Einrichtungen bei Impfquoten von weit über 90 Prozent keine großen Ausfälle durch die ab Mitte März greifende Regelung für Fachkräfte in der Sozialbranche zu erwarten seien. Der Direktor betonte, er erwarte vor dem Hintergrund der noch zu klärenden Verfahrenswege und der Belastung der Gesundheitsämter keine kurzfristigen Betretungsverbote für ungeimpfte Mitarbeitende. Aller Kritik zum Trotz werde das Gesetz umgesetzt, erklärte Kessmann. Die Einrichtungen und Dienste sind nach seinen Worten darauf vorbereitet.

Klinik: Mehr Geimpfte nach Aufklärungsgesprächen

Am Beispiel des St. Vincenz-Krankenhaus in Datteln, das zu den Vestischen Caritas Kliniken gehört, machte Geschäftsführer Wolfgang Müller deutlich, dass von ursprünglich 50 ungeimpften Mitarbeitenden nach Gesprächen noch 20 übriggeblieben seien. Damit sei bei 1.000 Beschäftigten ingesamt eine Quote von über 98 Prozent erreicht - und einige warteten noch auf den neuen Impfstoff Novavax.

Mit Kündigungen rechnet der Justitiar des Diözesancaritasverbandes, Klaus Schoch, nicht. Aber wer nicht arbeiten dürfe, könne natürlich kein Gehalt bekommen. Generell seien Sanktionen arbeitsrechtlich problematisch, weil die Impfpflicht bis Ende des Jahres befristet sei, so der Jurist. Nach Gesprächen mit dem NRW-Gesundheitsministerium kündigte Schoch an, dass ein Erlass zur Umsetzung in Kürze zu erwarten sei. Eine Erfassung der nicht geimpften Mitarbeitenden solle danach bis Ende März erfolgen, anschließend müssten Kreise und kreisfreie Städte im Einzelfall entscheiden und dabei auch die Situation der Einrichtungen berücksichtigen.

Dazu sagte Pressesprecher Harald Westbeld dem epd: „Weil unsere Einrichtungen und Verbände selbstständig sind, können wir ihnen nur raten, keine Kündigungen auszusprechen.“ Die seien auch gegebenenfalls vor den Arbeitsgerichten angesichts der Befristung der Impfpflicht bis Jahresende schwer durchzusetzen. „Zudem liegt es auch im Interesse der Einrichtungen, die Mitarbeitenden, die sie dringend brauchen, möglichst zu halten und auf deren Rückkehr in den Dienst zu hoffen.“ Da habe es in der Diskussion auch keine gegenteiligen Meinungen gegeben.

Klar bleibe, dass es für Freigestellte kein Gehalt geben könne. „Ob es Arbeitslosengeld gibt, muss der Einzelne mit der Arbeitsagentur klären. Da gibt es wohl Hinweise, dass das möglicherweise auch ohne Kündigungen gewährt werden könnte“, sagte der Sprecher. Aber dazu fehlten ebenfalls noch klare Aussagen.

Impfquote von 99 Prozent in Rheine

Die Caritas Rheine kommt im Pflegebereich sogar auf eine Impfquote von 99 Prozent, berichtete Abteilungsleiter Gesundheits- und Altenhilfe, Klaus Jäger. Selbst im Gesamtverband mit 1.400 Mitarbeitenden verblieben nur 20 bis 30 Ungeimpfte. Es stellten sich allerdings andere Fragen: „Welche Dienste sind überhaupt betroffen?“ Da gebe es Unklarheiten im Gesetz. Unbekannt sei zudem die Quote bei den rund 600 Ehrenamtlichen und den externen Dienstleistern. Sie könnten ohne Nachweis nicht mehr eingesetzt werden.

Nach Gesprächen mit dem NRW-Gesundheitsministerium kündigte Klaus Schoch an, dass ein Erlass zur Umsetzung in Kürze zu erwarten sei. Eine Erfassung der nicht geimpften Mitarbeitenden solle danach bis Ende März erfolgen, anschließend müssten Kreise und kreisfreie Städte im Einzelfall entscheiden und dabei auch die Situation der Einrichtungen berücksichtigen.

Kritik am behördlichen Vorgehen kommt auch von der Stuttgarter Heimstiftung, die über 13.000 Menschen betreut. Der diakonische Träger hatte schon vor Wochen angekündigt, alle Mitarbeitenden freizustellen, die nach dem 16. März keine Impfung nachweisen können und an das Gesundheitsamt gemeldet werden müssen.

Doch das wird wohl nicht so kommen: Das Bundesgesundheitsministerium habe klargestellt: „Die öffentlich-rechtliche Vorschrift des § 20a Infektionsschutzgesetz begründet kein Recht des Arbeitgebers zur Freistellung“. Das Pflegeheim kann demnach die nicht immunisierten Beschäftigten erst freistellen, wenn ein rechtskräftiger Bescheid des Gesundheitsamtes vorliegt - und das kann dauern. „Es ist absurd“, erklärte Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider: „Damit nimmt uns Herr Lauterbach die Möglichkeit aus der Hand, sein Gesetz ab 16. März umzusetzen. Wir haben als Heimbetreiber zwar die Verantwortung für die Sicherheit der Bewohner, die Entscheidung, ob jemand ungeimpft das Haus betritt, haben wir aber nicht.“

Dirk Baas