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Familie

Gastbeitrag

Familienpolitik: Hallo, uns Väter gibt's auch noch!




Markus Witt
epd-bild/Clemens Porikys
Schon zu Beginn ihrer Arbeit hat die Ampelkoalition "die größte Familienrechtsreform der letzten Jahrzehnte" angekündigt. Klingt bombastisch, aber die kritischen Themen, die die vergangenen acht Jahre liegengelassen wurden, wurden auch dieses Mal ausgeklammert, rügt Markus Witt vom Verein "Väteraufbrach für Kinder" in seinem Gastbeitrag für epd sozial. Väter und getrennte Eltern fänden sich in den Plänen nicht wieder.

„Echt jetzt?“ Ja, dieses Zitat stammt nicht von mir, sondern aus der „Zeit“. Anlass war die Ankündigung der Koalition, dass die „Vätermonate“ von zwei auf drei ausgeweitet werden sollen. Was für eine Wahnsinns-Weiterentwicklung nach 15 Jahren! Wenn wir in dem Tempo weitermachen, dann haben wir in 135 Jahren eine Gleichberechtigung bei Elterngeld und Elternzeit zwischen Vater und Mutter erreicht.

Man möchte die Gleichstellung von Frauen und Männern verwirklichen, heißt es allein 14 Mal im Koalitionsvertrag. Tatsächlich beziehen sich die Aussagen aber fast immer nur auf Frauen und Mütter. Männer und Väter finden sich, wie so häufig, nicht wieder - mal abgesehen von dem oben erwähnten einen Monat und der Vaterschaftsfreistellung nach Geburt, die sich politisch nicht mehr verhindern ließ, nachdem bereits Strafzahlungen aus Europa drohten.

Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) erklärte, eine „gleichberechtigte und zukunftsorientierte Partnerschaft bemisst sich daran, dass Männer selbstverständlich die Hälfte der Familien- und Hausarbeit machen“. Ja, dann lassen Sie uns doch bitte auch mal!

Ergebnisse aus Studie nicht umgesetzt

Das Familienministerium hatte bereits 2017 in der Studie „Männerperspektiven“ festgestellt, „dass die Mehrheit der Männer eine aktive und offensive Gleichstellungspolitik fordert“, sich stärker in der Familie engagieren wolle und dafür sogar bereit sei, eigene Nachteile in Kauf zu nehmen. Nur bekommen haben Väter diese Politik nicht.

Jedes Jahr zum Equal Pay Day wird beklagt, dass Frauen 21 Prozent weniger für die gleiche Arbeit verdienen würden (es sind tatsächlich weniger als sechs Prozent, wenn man die Arbeitszeit berücksichtigt) und das vermutlich noch die nächsten 135 Jahre, wenn man politisch nicht endlich mal Fortschritt wagt und uns Väter mitnimmt, statt uns immer nur als Buh-Männer zu betrachten.

Ministerin Spiegel sendete zum Amtsantritt auch ein klares Signal ihrer Einstellung. „Einmal Feministin, immer Feministin.“ Man könnte das als Kampfansage an die Männerwelt betrachten. Doch das ist sie nicht, im Gegenteil. Im „Welt“-Interview erläuterte sie, was genau sie darunter versteht. Es las sich wie ein auf Gleichberechtigung und Augenhöhe zwischen den Geschlechtern ausgerichteter, zeitgemäßer Feminismus. Gut so. Ob das allerdings aus ihrer eigenen Partei und aus ihrem eigenen Ministeriumsapparat wirklich so mitgetragen wird?

Familie ist nicht nur Müttersache

In beiden wirkten Männer und Väter häufig als Fremdkörper oder gar Feindbilder. Familie ist Müttersache, hatte man häufig den Eindruck, und bei den Grünen wird Familienpolitik seit jeher ausschließlich von Frauen betrieben - keine Partei pflegt in dem Bereich weniger Parität, auch das muss mal gesagt werden.

Als Vater würde ich Frau Spiegel die Hand reichen und sagen: Wir stehen an ihrer Seite. Wir sind sofort dabei, wenn es darum geht, an den Ursachen der Ungleichheit zwischen Müttern und Vätern bei Gehalt und Karriere etwas zu verändern. Wir fordern das seit vielen Jahren. Wir übernehmen unseren Part in der Familie, wenn sie uns endlich lassen. Dazu müssen Frauen aber auch bereit sein, in der Familie abzugeben, so wie es Männer in der Berufswelt getan haben, was politisch massiv unterstützt wurde. Jetzt sind auch die Männer und Väter mal dran. Frauen und Mütter werden langfristig davon profitieren, die Kinder sowieso. Skandinavien macht es uns seit Jahrzehnten vor.

Väter werden politisch gerne unsichtbar gemacht, das bekräftigt dann auch der neue Queer-Beauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne). Man brauche unbedingt die rechtliche Regelung der Mit-Mutterschaft für lesbische Paare. Denn was wäre, wenn die Mutter nach der Geburt stirbt? Dann hätte das Kind ja nur einen Elternteil. Basiswissen Biologie vermittelt einem, dass ein Kind auch einen biologischen Vater hat. Der wird in der ganzen Diskussion aber einfach ausgeklammert.

Sorgerechtsreform wieder ausgeklammert

Und man will das Sorgerecht für Kinder auf bis zu vier Personen ausdehnen. Bisher wurde noch nicht einmal das Sorgerecht für beide biologische Eltern ordentlich geregelt - und dieses Vorhaben findet sich auch nicht in den Reformankündigungen von Justizminister Marco Buschmann (FDP). Nicht weniger als die „größte Familienrechtsreform der letzten Jahrzehnte“ will Buschmann umsetzen. Ist auch nicht so schwer, weil seit 1998 eigentlich nichts mehr passiert ist.

Sorge- und Umgangsrecht, Unterhaltsrecht, Wechselmodell, Eltern-Kind-Entfremdung, all die liegen gebliebenen und lange überfälligen Reformen kommen in den Ankündigungen nicht vor. Fakt ist, dass getrennte Eltern wieder nicht beachtet werden und mit ihnen ihre Kinder: Kinder, die in einem streitfördernden Familienrechtssystem zerrieben werden. Im Familienrecht ist Deutschland ein Entwicklungsland und wenn nicht endlich gehandelt wird, bleibt das auch so.

Wir erwarten ein klares Zeichen, dass die Zukunftskoalition jetzt auch für getrennte Eltern und deren Kinder tätig wird. Das vermarktet sich vielleicht nicht so gut in den Medien, ist aber dringend erforderlich und wäre ein aktiver Beitrag zum Kinderschutz. Und wer Kinderrechte im Grundgesetz verankern möchte, der muss sich an seinem Handeln messen lassen.

Frau Spiegel, Herr Buschmann, verändern sie gesellschaftlich etwas für Väter und getrennte Familien und treiben Sie nicht nur Symbolpolitik. Sie haben noch Luft nach oben, nutzen sie sie!

Markus Witt ist Mitglied im Bundesvorstand des Vereins "Väteraufbruch für Kinder" und dort verantwortlich für die Öffentlichkeitsarbeit