Frankfurt a.M. (epd). „Toffi“ und „Fee“ sind Langschläfer. Es ist kurz nach 10 Uhr, als die zwei Zwerg-Cochin-Hühner vorsichtig aus ihrer „Villa“ hinausschauen und sich auf ihrer Leiter auf den Weg in die untere Etage ihres Geheges begeben. Seit knapp vier Wochen lebt das noch junge Federvieh im Garten der sozialpädagogischen Wohngruppe „Hollerkopf 7“ für junge Frauen im Frankfurter Stadtteil Niederursel.
Weitere tierische Mitbewohner sollen folgen, genauer vier Kaninchen und zwei zusätzliche Hühner. Tiergestützte Pädagogik nennt sich das Konzept dahinter, das zur Stärkung von Bindungsfähigkeit, Selbstwertgefühl, Vertrauen und Selbstbewusstsein der Bewohnerinnen im Haus beitragen soll.
Derzeit leben dort sieben junge Frauen im Alter von 16 bis 21 Jahren, die aus ganz unterschiedlichen Gründen nicht mehr in ihren Familien bleiben konnten. Die Möglichkeit, in der Wohngruppe zu sein, gibt ihnen die Sicherheit und die notwendige Ruhe, um den Schulabschluss zu machen, einen Ausbildungsplatz zu suchen, eben einfach, um erwachsen zu werden und auf eigenen Beinen zu stehen.
Ein Team an pädagogischen Mitarbeiterinnen begleitet sie auf diesem Weg und künftig auch die tierischen Mitbewohner im Garten. Finanziell ermöglicht wird die Umsetzung des Konzepts der tiergestützten Pädagogik in der Einrichtung vom Jugendamt der Stadt Frankfurt.
Initiiert hat es Natali Testart-Pueyo, Diplom-Pädagogin und Fachkraft für tiergestützte Pädagogik. Sie ist die Leiterin der Einrichtung, deren Träger seit dem 1. Januar dieses Jahres der Evangelische Verein für Jugendsozialarbeit ist. „Tiere sind nicht voreingenommen, sie nehmen einen an so wie man ist“, beschreibt sie einen zentralen Gedanken hinter dem Projekt. Und der Umgang mit Tieren sorge für Glücksmomente und Wohlbefinden.
Viele Jahre befand sich die Wohngruppe im Frankfurter Stadtteil Eschersheim. Erst mit dem Umzug vor wenigen Monaten nach Niederursel sei das Konzept der tiergestützten Pädagogik auch in Gänze realisierbar, sagt Testart-Pueyo. Der Garten biete dazu ausreichend Platz. In der Corona-Pandemie sei es aber gar nicht so einfach, die passenden Tiere zu bekommen: „Ich bin noch auf der Suche nach einer Gruppe mit vier jungen Kaninchen, die es von klein auf gewohnt sind, im Freien zu leben.“
„Die Idee ist auch“, betont Testart-Pueyo, „dass, wenn alle Tiere wie geplant auf das Gelände gezogen sind, jede Bewohnerin jeweils eine Patenschaft für ein Tier übernimmt.“ Für alle jungen Frauen heißt es dann, sich um ihr Tier zu kümmern und Verantwortung dafür zu tragen. Neben dem Füttern gehört dazu auch, den Stall zu säubern und auf die Gesundheit zu achten.
Eine, die schon fest zur Wohngruppe gehört, ist „Sakura“, die zehnjährige Alaskan-Malamute-Hündin von Testart-Pueyo. Ganz selbstverständlich bewegt sich der imposante Vierbeiner zwischen den Bewohnerinnen - Streicheleinheiten und Leckerlis inklusive.
Bewohnerin Tessa, die seit fast zwei Jahren in der Einrichtung lebt, freut sich immer sehr, wenn der kräftige Schlittenhund im Haus ist. Sie erzählt, dass sie mit Hunden großgeworden sei. Dass Tessa schon Erfahrungen mit den Vierbeinern hat, ist ihr im Umgang mit dem Malamute anzumerken. Sie gibt der Hündin klare Kommandos wie „sitz!“, die diese auch sofort umsetzt.
Und auch die Hühner hat Tessa bereits in ihr Herz geschlossen - „vom ersten Tag an, als sie in ihr Gehege im Garten eingezogen sind“, erzählt die junge Frau, die derzeit ein Freiwilliges Soziales Jahr in einem Jugendzentrum absolviert. „Ich hatte vorher noch nie mit Hühnern zu tun. Das sind tolle Tiere.“ Sich regelmäßig um sie zu kümmern, sei für sie selbstverständlich.
Im Garten öffnet sie die Tür zum Gehege und sagt: „Die beiden sehen fast so aus, als hätten sie Hosen an.“ Denn statt nackter Beine haben die Zwerg-Cochins dort ein imposantes Gefieder, das auch ihre Füße bedeckt. War das Federvieh zuvor noch ein wenig schüchtern, gackert es beim Anblick von Tessa freudig und läuft auf sie zu. „Es sind neugierige Tiere und man hat das Gefühl, dass sie einen verstehen“, sagt Tessa, während sie ihnen das Futter vor die Schnäbel streut.
Eine, die einen noch engeren Draht zu „Toffi“ und „Fee“ hat, ist Bewohnerin Hadil. „Sie ist unsere Hühnerflüsterin“, sagt die Einrichtungsleiterin. Und das hat einen Grund. Die 18-jährige Hadil ist bisher die einzige, von der sich die beiden Zwerg-Cochins auf den Arm nehmen lassen und dabei völlig entspannt bleiben.