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Diakoniewissenschaft sucht Vernetzung mit anderen Fächern




Martin Bücher
epd-bild/Werner Krüper
Das größte diakoniewissenschaftliche Institut in Deutschland bildet in Bielefeld-Bethel Führungskräfte aus. Nun ist es von der Kirchlichen Hochschule zur Uni Bielefeld gewechselt. Die Kooperation mit anderen Disziplinen verspricht neue Chancen.

Bielefeld (epd). Jenny Purba aus Indonesien ist jetzt „Dr. diac“. Im Dezember promovierte die Pastorin an der Kirchlichen Hochschule (KiHo) Wuppertal/Bethel in Diakoniewissenschaft - als erste Absolventin aus dem globalen Süden. Zugleich war sie die letzte Studierende, die diesen akademischen Titel bekam. Denn das Institut für Diakoniewissenschaft und Diakoniemanagement (IDWM) löste sich zu Jahresbeginn von der KiHo und gehört nun zur Universität Bielefeld. Künftige Doktoranden des Instituts erhalten dort einen „Dr. phil.“ oder „Dr. rer. pol.“.

Die neuen akademischen Titel sind für Institutsleiter Martin Büscher nur ein Randaspekt. Er sieht die Integration in die Uni als großen Schritt nach vorn: „Wir profitieren durch die vielen Möglichkeiten fachübergreifender Vernetzung in Forschung und Lehre und von den Kompetenzen und Dienstleistungen der Verwaltung einer großen Universität“, sagt der Wirtschaftswissenschaftler. Das laut Büscher bundesweit größte diakoniewissenschaftliche Institut ist jetzt Teil der Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie.

Institut von der Uni Bielefeld übernommen

Die Uni Bielefeld übernahm das Institut mit den rund 70 Studierenden, allen Lehrkräften und sonstigem Personal als „dezentrale wissenschaftliche Einrichtung“. Für die Finanzierungen sorgen laut einem Kooperationsvertrag weiterhin die Evangelische Kirche von Westfalen und die diakonischen v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel. Auch der Standort auf dem Bildungscampus in Bethel bleibt erhalten.

Die Studienangebote würden mit gleicher personeller Ausstattung wie bisher fortgeführt, versichert Büscher. Dazu zählen je ein deutschsprachiges und ein internationales englischsprachiges Masterprogramm sowie ein Promotionsstudiengang Diakoniewissenschaft. Die Zielgruppe sind Fachkräfte in sozialen Einrichtungen mit mindestens dreijähriger Leitungserfahrung und akademischem Abschluss. Es gehe darum, ihnen fachübergreifende werteorientierte Leitungskompetenz zu vermitteln, sagt der Experte für Wirtschafts- und Unternehmensethik. „Wir betrachten Theologie und Ökonomie im Kontext.“

Engere Verknüpfungen mit anderen Fächern wie Soziologie

Die Theologin Beate Hofmann, außerplanmäßige Professorin am Betheler Institut, sieht Chancen für engere Verbindungen zu Fächern wie Soziologie oder Gesundheits- und Pflegewissenschaften. Diakonieforschung als interdisziplinäre Wissenschaft brauche einen solchen „Resonanzraum, um ihre Rolle bei der Transformation der Gesellschaft spielen zu können“.

Vergleichbare Möglichkeiten habe es in der bisherigen Struktur als Teil der Kirchlichen Hochschule, in der am Standort Wuppertal junge Menschen für das Pfarramt ausgebildet werden, nicht geben können, sagt Hofmann, die auch Bischöfin der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck ist. Kritik, mit dem Wechsel zur Uni entferne sich die Diakoniewissenschaft von der Kirche, weist die Theologin mit Blick auf die bleibende Trägerschaft durch die westfälische Kirche zurück.

Bethel-Vorstand sieht „neue Chancen“

Auch Bethel-Vorstandsmitglied Johanna Will-Armstrong sieht in der neuen Konstellation „neue Chancen“. Das Institut werde nicht nur gesichert, es werde sich weiterentwickeln. Diakonische Unternehmen wie Bethel stünden vor der großen Aufgabe, Fach- und Führungskräfte zu gewinnen - auch deshalb werde man das IDWM weiter unterstützen, verspricht Will-Armstrong.

Die Uni Bielefeld nimmt die Integration des Instituts zum Anlass für eine Umstrukturierung: Das Fach Theologie bildet nun eine Sektion der neuen „Abteilung Kontextuelle Theologie und Diakoniewissenschaft“. Die bisherigen Lehramtsstudiengänge laufen aus. Parallel zu den Angeboten des IDWM werde „ein innovativer, interdisziplinärer Schwerpunkt in Forschung und Lehre“ aufgebaut, kündigt der Theologe Heinrich Wilhelm Schäfer an.

Angestrebt wird eine „fruchtbare Kombination“ etwa von Religionssoziologie und Religionswissenschaften mit Systematischer Theologie, Religionsphilosophie und -pädagogik. Für die gesamte Uni solle in den kommenden Jahren ein „Beratungszentrum Religionsforschung“ aufgebaut werden, sagt Schäfer. Geplant seien auch ein Masterstudiengang Religion sowie Zusatzqualifikationen in Religion für Absolventen der Medizin, Rechts- oder Bildungswissenschaft.

Thomas Krüger