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Kriminalität

Prozess gegen Vorgesetzte des Patientenmörders Högel hat begonnen



Vor dem Oldenburger Landgericht müssen sich sieben ehemalige Vorgesetzte für die Klinikmorde des früheren Krankenpflegers Niels Högel verantworten. Sie sollen laut Anklage von den Taten gewusst haben, aber nicht dagegen eingeschritten sein.

Oldenburg (epd). Vor dem Landgericht Oldenburg hat am 17. Februar der Prozess gegen sieben Vorgesetzte des Patientenmörders Niels Högel begonnen. Angeklagt sind vier Vorgesetzte aus dem Klinikum Oldenburg und drei aus Delmenhorst. Sie sollen laut Staatsanwaltschaft so viel gewusst haben, dass sie Tötungen zumindest für möglich gehalten hätten. Dennoch seien sie aus Sorge um den Ruf ihrer Stationen, ihrer Kliniken und das eigene Ansehen nicht eingeschritten. So hätten sie billigend in Kauf genommen, dass Högel weiter tötete - was er auch tat. Die Verteidigung wies alle Vorwürfe der Staatsanwaltschaft als „grob mangelhaft“ und falsch zurück.

Auf frischer Tat ertappt

Die Angeklagten aus Oldenburg - der damalige Geschäftsführer, ein Arzt, die Pflegedirektorin und ein Pflegedienstleiter - hätten spätestens Ende Oktober 2001 die von Högel ausgehende Gefahr erkannt, sich aber mit den „wenn auch unerwünschten“ Taten abgefunden, erklärte die Staatsanwaltschaft. Dabei geht es um drei Tötungen.

Im Krankenhaus Delmenhorst seien die Angeklagten spätestens am 23. Juni 2005 über die Tötungen Högels so weit informiert gewesen, dass sie weitere Taten für möglich gehalten hätten. Der Ex-Pfleger war an diesem Tag auf frischer Tat ertappt worden. Trotzdem durfte er weitere zwei Schichten arbeiten. Diese Angeklagten müssen sich für vier Tötungen verantworten.

Die insgesamt 17 Vertreterinnen und Vertreter der Angeklagten wiesen die „ungeheuerlichen“ Anschuldigungen einmütig zurück. Die Anklage gründe auf „Gerüchten und Mutmaßungen“, sagte eine Verteidigerin. Die Hypothesen der Staatsanwaltschaft entbehrten jeder Grundlage.

Ein Verteidiger warnte vor einem „Rückschaufehler“ nach dem Motto, dann man im Nachhinein immer schlauer sei. Das heutige Wissen um die Taten Högels dürfe aber nicht auf die damalige Zeit übertragen werden. Damals sei der Gedanke, ein Arzt oder eine Pflegekraft könne Patienten ermorden, unvorstellbar gewesen.

Besondere Schwere der Schuld

Eine weitere Anwältin wandte sich an die Schöffen, die als ehrenamtliche Richter dem Prozess beisitzen. Sie dürften sich nur von dem leiten lassen, was in der Verhandlung gesagt oder bewiesen werde, sagte sie. Was in „Volkstheaterstücken“, fragwürdigen TV-Dokumentationen, der Literatur oder der Presse veröffentlicht werde, dürfe für ihre Urteilsfindung keine Rolle spielen.

Die Anwältin eines Chefarztes aus Oldenburg betonte, das die infrage stehenden drei Sterbefälle neu zu untersuchen seien. Es müsse geklärt werden, ob sie wirklich von Högel verursacht worden seien: „Geständnisse Högels dazu existieren nach Aktenlage nicht.“

Der Vorsitzende Richter Sebastian Bührmann hatte bereits zum Prozessauftakt betont, dass „alle Uhren auf null“ zurückgestellt seien. Alle Tötungsvorwürfe müssten neu verhandelt und bewiesen werden. Alle weiteren möglichen Verfehlungen seien bereits verjährt. Es gehe um den Vorwurf, dass die Angeklagten die Taten nicht aktiv verhindert hätten.

Der frühere Krankenpfleger Högel war am 6. Juni 2019 vom Oldenburger Landgericht wegen insgesamt 85 Morden im Klinikum Oldenburg und im Krankenhaus Delmenhorst zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Außerdem wurde die besondere Schwere der Schuld festgestellt. Högel hatte nach Überzeugung des Gerichts seine Patienten mit Medikamenten vergiftet, die zum Herzstillstand führten, um sie anschließend reanimieren zu können. So wollte er als Lebensretter glänzen.

Az.: 5 Ks 20/16

Az.: 5 Ks 1/18 (Högel-Prozess)

Jörg Nielsen