sozial-Politik

Corona

Gastbeitrag

Impfnachweispflicht und arbeitsrechtliche Folgen




Bernhard Baumann-Czichon
epd-bild/privat
Die arbeitsrechtlichen Folgen eines Betretungsverbot für ungeimpfte Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitseinrichtungen sind umstritten. Der Bremer Anwalt für Arbeitsrecht, Bernhard Baumann-Czichon, widerspricht der Auffassung, dass eine unterlassene Corona-Impfung eine Kündigung rechtfertigen kann. Dies hatte der Vorsitzende der Diakonie Sachsen, Dietrich Bauer, in einem Gastbeitrag der epd-sozial-Ausgabe vom 4. Februar vertreten.

Ab 15. März müssen in Krankenhäusern, Pflege- und Betreuungseinrichtungen tätige Personen nach Paragraf 20a Infektionsschutzgesetz (IfSG) geimpft, genesen oder von der Impfung befreit sein - oder genauer: diesen Status gegenüber dem Arbeitgeber nachweisen. Das ist keine bereichsbezogene Impfpflicht, denn: Wer diesen Nachweis nicht führt - gleich aus welchem Grund -, darf nicht beschäftigt werden, wobei bei Bestandsmitarbeitern das Tätigkeitsverbot erst von einem Gesundheitsamt nach Einzelfallprüfung ausgesprochen werden muss.

Umdeutung der Impfnachweispflicht

Ein unbedingtes Tätigkeitsverbot gilt nach Paragraf 20a Abs. 3 IfSG nur für Personen, die ab 16. März 2022 eingestellt werden. Diese - im Gesetz differenziert geregelte - Nachweispflicht wird im öffentlichen Diskurs verkürzt als bereichsbezogene Impfpflicht bezeichnet. Eine solche Impfpflicht sieht das - zugegebenermaßen schwer zu lesende - Gesetz nicht vor. Jede in der Pflege und Betreuung arbeitende Person kann sich frei entscheiden, ob sie sich impfen lassen oder eine andere Tätigkeit suchen will. Keine Frage: Wer vor dieser Wahl steht, der wird sich einem Impfzwang ausgesetzt fühlen. Aber eine rechtliche Verpflichtung besteht weiterhin nicht. Das kann sich nur durch eine allgemeine Impfpflicht ändern, weil sich dieser niemand entziehen kann.

Die Umdeutung der Impfnachweispflicht in eine Impfpflicht führt auf einen falschen Weg: Denn weil es keine Impfpflicht gibt, verstoßen Arbeitnehmer, die sich nicht impfen lassen, weder gegen eine gesetzliche noch eine vertragliche Verpflichtung. Sie können weder abgemahnt noch gekündigt werden. Und Arbeitnehmer sind auch nicht verpflichtet, Auskunft zu erteilen bzw. den Nachweis zu führen. Denn schließlich kann den Nachweis nur führen, wer geimpft, genesen oder befreit ist.

Die Abmahnung wegen Nichtvorlage des Nachweises wäre bei nicht geimpften oder genesenen Personen auf eine objektiv unmögliche Leistung gerichtet. Der Impf- oder Genesenenstatus betrifft die Gesundheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Gesundheitsdaten unterliegen nach Paragraf 203 Abs. 1 Nr. 1 Strafgesetzbuch (StGB) und Art. 9 Abs. 1 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) einem besonderen Schutz. Eine Offenbarungspflicht bedarf einer gesetzlichen Grundlage. Die Nachweispflicht nach Paragraf 20a IfSG begründet keine Offenbarungspflicht. Das Gesetz beschränkt sich darauf, die Tätigkeit in Pflege und Betreuung an den Nachweis zu knüpfen: kein Nachweis - keine Tätigkeit.

Warnung vor Abmahnung oder Kündigung

Die Impfung selbst kann nicht verlangt werden, weil es eine Verpflichtung nicht gibt. Und wenn schon keine Abmahnung in Betracht kommt, dann erst Recht keine verhaltensbedingte Kündigung. Die Vorstellung, man könne auf diesem Wege Impfskeptikern oder gar Impfgegnern gegenüber Druck erzeugen, ist arbeitsrechtlich abwegig.

Dass eine verhaltensbedingte Kündigung abwegig ist, belegt auch der Umstand, dass bei jeder ungeimpften Person auch während der Geltungsdauer von Paragraf 20a IfSG (bis 31.12.2022) das Beschäftigungsverbot entfallen kann, nämlich aufgrund von Genesung. Die Infektion und die nachfolgende Genesung sind nicht steuerbar. Daran ändert nichts der Umstand, dass einige Menschen sich dem Risiko einer Infektion bewusst aussetzen, um den Genesenenstatus zu erreichen. Das Fehlen der Beschäftigungsvoraussetzungen nach Paragraf 20a Abs. 1 IfSG ist in der Person, nicht aber im Verhalten begründet. Arbeitgebern ist daher dringend davon abzuraten, bei fehlendem Nachweis abzumahnen oder gar zu kündigen.

Weiterbeschäftigung nicht zumutbar

Folgenlos ist der fehlende Nachweis über den Status als geimpfte, genesene oder befreite Person keineswegs. Denn wenn das Gesundheitsamt ein Tätigkeits- oder Betretungsverbot ausspricht, dann kommt eine Beschäftigung nicht in Betracht. Die Betroffenen können ihre Arbeitskraft nicht wirksam anbieten. Es bedarf nicht einmal einer Freistellung. Die Situation ist nicht anders als bei einem Kraftfahrer, dem die Fahrerlaubnis entzogen wurde: Er darf die Tätigkeit nicht ausüben. Lohn bekommt er ebenso wenig wie Lohnersatzleistungen.

Und wenn auch keine verhaltensbedingte (fristlose) Kündigung in Betracht kommt, so kann doch im Einzelfall eine Situation eintreten, in der die Weiterbeschäftigung von Nicht-Nachweisern nicht mehr zumutbar ist. So kann es sein, dass eine Nachbesetzung allein für den Zeitraum des Beschäftigungsverbotes und damit im Rahmen eines befristeten Arbeitsverhältnisses nicht möglich ist. Hier ist Vorsicht geboten, weil das Kündigungsschutzgesetz stets eine Interessenabwägung verlangt. Allgemeine Aussagen können deshalb nicht getroffen werden.

Die Umdeutung der Impfnachweispflicht in eine Impfpflicht ist auch politisch gefährlich. Impfskeptiker und Impfgegner werden das als Bluff enttarnen. Dies schadet der Glaubwürdigkeit derjenigen, die aus guten Gründen für eine möglichst flächendeckende Impfung eintreten.

Bernhard Baumann-Czichon, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Bremen, vertritt bundesweit Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, Betriebsräte und Mitarbeitervertretungen. Er ist Mitglied der Arbeitsrechtlichen Kommission der EKD.