sozial-Recht

Bundesarbeitsgericht

Weiterbeschäftigung im Rentenalter ist mitbestimmungspflichtig




Gebäude der Deutschen Rentenversicherung in Frankfurt
epd-bild/Heike Lyding
Eine Weiterbeschäftigung im Rentenalter bringt Vorteile: Der Arbeitgeber verliert kein bewährtes Personal, der Arbeitnehmer kann seine spätere Rente erhöhen. Allerdings muss für solch eine Weiterbeschäftigung der Betriebsrat zustimmen, entschied das Bundesarbeitsgericht.

Erfurt (epd). Ein tarifliches Beschäftigungsende mit Erreichen der Regelaltersgrenze muss nicht unbedingt das Ende des Arbeitsverhältnisses bedeuten. Will ein Arbeitnehmer auch im Rentenalter angestellt bleiben, muss der Betriebsrat zustimmen, entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am 27. Januar veröffentlichten Beschluss.

Rente steigt um 0,5 Prozent pro Monat

Mit dem seit 2017 geltenden „Flexirentengesetz“ will der Gesetzgeber Rentnerinnen und Rentnern die Berufstätigkeit im Rentenalter erleichtern. Rentenberechtigte müssen mit Erreichen der Regelaltersgrenze keine Rente beziehen. Sie haben die Möglichkeit, ohne Rentenzahlung weiter zu arbeiten. Nach Angaben der Deutschen Rentenversicherung (DRV) gibt es dann für jeden Monat, den ein Versicherter trotz Rentenalters voll weiterarbeitet, später eine um 0,5 Prozent höhere Rente, bei einer Erwerbstätigkeit von einem Jahr also ein späterer Rentenzuschlag von sechs Prozent. Zusätzlich erhöht sich die Rente noch durch die laufende Beitragszahlung zur Rentenversicherung. Auch eine Teilrente und ein Hinzuverdienst sind möglich.

Doch mitunter können einer Weiterarbeit im Rentenalter auch gesetzliche oder tarifliche Altersbegrenzungen entgegenstehen. So hatte der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg am 5. Juli 2017 für Berufspiloten geurteilt, dass diese zumindest in ihrem Job mit 65 Jahren nicht mehr in die Luft gehen dürfen - aus Gründen der Flugsicherheit. Auch in anderen Berufen gibt es Höchstaltersgrenzen, etwa bei niedergelassenen Ärzten, die regelmäßig nur bis zum Alter von 68 Jahren als Vertragsarzt tätig sein und mit der gesetzlichen Krankenversicherung abrechnen dürfen.

Im aktuellen Streitfall vor dem BAG ging es um die Verkehrsbetriebe der Stadtwerke München und eine Beschäftigung über das Erreichen der tariflichen Altersgrenze hinaus. Der Tarifvertrag Nahverkehrsbetriebe sieht mit Erreichen der Regelaltersgrenze das Ende des Arbeitsverhältnisses vor, ohne dass es einer Kündigung bedarf. Allerdings hatte der Gesetzgeber 2014 im Sozialgesetzbuch VI (Gesetzliche Rentenversicherung) Arbeitnehmern auch die Möglichkeit eingeräumt, dass sie mit Erreichen des gesetzlichen Rentenalters eine Weiterbeschäftigung mit dem Arbeitgeber vereinbaren können.

Befristete Weiterbeschäftigung

Davon machten auch die Verkehrsbetriebe mehrfach Gebrauch. Als im Streitfall ein Beschäftigter das Rentenalter erreichte, vereinbarte das Unternehmen mit ihm eine um ein Jahr befristete Weiterbeschäftigung.

Doch solch eine Weiterarbeit ist mitbestimmungspflichtig, rügte der Betriebsrat. Die Weiterbeschäftigung über die tarifliche Altersgrenze hinaus stelle eine zustimmungspflichtige Einstellung dar. Vor Gericht wollte die Arbeitnehmervertretung die Aufhebung der Beschäftigung erreichen, notfalls mit einem gerichtlichen Zwangsgeld.

Der Arbeitgeber argumentierte, dass der Betriebsrat doch schon seine Zustimmung zur ursprünglichen Einstellung des Mannes erteilt hat. Dabei sei die Zustimmung zur „unbefristeten Beschäftigung“ gegeben worden.

Mitbestimmungspflichtige Stellenbesetzung

Das Bayerische Landesarbeitsgericht gab dem Betriebsrat recht. Die dagegen eingelegte Rechtsbeschwerde wies das BAG nun zurück. Hier sehe der Tarifvertrag mit Erreichen des Rentenalters das Beschäftigungsende vor. Werde von der gesetzlichen Möglichkeit einer Weiterbeschäftigung Gebrauch gemacht, liege ebenso wie bei befristeten Arbeitsverhältnissen eine erneute, mitbestimmungspflichtige Stellenbesetzung vor.

Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates solle in erster Linie die Interessen der vorhandenen Beschäftigten schützen. Werde eine frei werdende Stelle neu besetzt, müsse der Betriebsrat prüfen können, ob etwa das Ausschreibungsverfahren eingehalten oder ob andere Kolleginnen und Kollegen übergangen wurden. Ein Anspruch auf Weitbeschäftigung bestehe nicht, so das BAG.

Entsprechend hatte das BAG auch schon früher entschieden, zuletzt am 10. März 1992. Bestimme eine Betriebsvereinbarung mit dem Erreichen der Regelaltersgrenze das Ende des Arbeitsverhältnisses, sei damit eine Weiterbeschäftigung nicht verboten, urteilten damals die obersten Arbeitsrichter. Ohne ein ausdrückliches Verbot sei der Betriebsrat deshalb nicht berechtigt, seine Zustimmung zur Weiterbeschäftigung des betreffenden Arbeitnehmers zu verweigern. Er müsse aber gefragt werden.

Nach der aktuellen BAG-Entscheidung ändert die 2014 eingeführte gesetzliche Möglichkeit der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses daran nichts. „Anknüpfungspunkt für die Beteiligung des Betriebsrats ist die tatsächliche Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers im Betrieb über das zunächst vorgesehene Ende des Arbeitsverhältnisses hinaus, nicht aber die Verlängerung des Arbeitsvertrags. Es ist daher gleichgültig, auf welcher rechtlichen Grundlage die Weiterbeschäftigung beruht“, erklärte das BAG.

Az.: 7 ABR 22/20 (BAG, Tarifvertrag)

Az.: C-190/16 (Europäischer Gerichtshof)

Az.: 1 ABR 67/91 (BAG, Betriebsvereinbarung)

Frank Leth