Berlin (epd). Um pflegebedürftige Menschen besser vor Gewalt zu schützen, fordert der Pflegeexperte Ralf Suhr eine bundesweite Allianz zur Gewaltprävention. „Diese muss politisch initiiert, gestützt und finanziert werden“, sagte der Vorstandsvorsitzende der Stiftung Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die Initiative solle etwa konkrete Konzepte zur Umsetzung von Präventionsmaßnahmen erarbeiten sowie Aufgaben und Verantwortlichkeiten vereinbaren.
Wie häufig pflegebedürftige Menschen Opfer von Gewalt würden, sei wissenschaftlich kaum genau zu ergründen. Es handle sich um ein „vielschichtiges Dunkelfeld“, in dem Forschung an ihre Grenzen stoße, sagte Suhr. Doch Gewalt gegenüber pflegebedürftigen Menschen - ob von Pflegekräften, pflegenden Angehörigen oder Mitbewohnern in Pflegeheimen ausgehend - komme nicht nur ausnahmsweise vor.
Das zeige sich einerseits in Pflegeheimen. So habe eine Umfrage der Stiftung unter Pflegedienstleitungen und Qualitätsbeauftragten ergeben, dass 47 Prozent von ihnen Konflikte, Aggression und Gewalt als eine besondere Herausforderung für Pflegeeinrichtungen sähen. Ähnliches berichtete Suhr auch von der häuslichen Pflege. In einer anderen Studie der Stiftung hätten 40 Prozent der pflegenden Angehörigen angegeben, Gewalt gegenüber dem Pflegebedürftigen angewandt zu haben.
„Gewalt in der Pflege fängt nicht erst beim Schlagen an. Sie hat viele Gesichter“, betonte Suhr. Als Gewalt würden unter anderem psychische Misshandlung, körperliche Angriffe, pflegerische Vernachlässigung, Freiheitsentzug, finanzielle Ausbeutung sowie sexualisierte Gewalt gelten. Alle Gewaltformen könnten die psychische oder physische Gesundheit der Betroffenen schädigen und im schlimmsten Fall bis zum Tod führen. „Darum ist Gewalt in der Pflege prinzipiell inakzeptabel und mit guter Pflege nicht vereinbar“, sagte Suhr.
Um Gewalt in der Pflege entgegenzuwirken, brauche es auf gesellschaftlicher Ebene vor allem Aufklärung. Auch die Beratung und wirksame Unterstützung pflegender Angehöriger sei von zentraler Bedeutung, sagte der Experte.
In der professionellen Pflege plädierte Suhr für regelmäßige Schulungen und Fortbildungen. Gleichzeitig brauche es in den Organisationen eine Kultur, „in denen Mitarbeiter den Arbeitsalltag reflektieren, kritische Vorgänge offen ansprechen und verbessern können“, forderte er. „Engagierte Pflegende und Leitungskräfte, die sich für Gewaltprävention einsetzen, dürfen nicht als Nestbeschmutzer behandelt werden, sie sollten gefördert werden.“