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Corona

Sozialverbände sehen Probleme bei begrenzter Impfpflicht



Die Corona-Impfpflicht für das Personal in der Pflege und im Gesundheitswesen bereitet den dort tätigen Verbänden zunehmend Sorge. Viele Fragen sind offen, die Betroffenen sehen mit Argwohn, dass eine allgemeine Impfpflicht auf sich warten lässt.

Berlin (epd). Die Warnungen vor negativen Auswirkungen der Corona-Impfpflicht für das Pflege- und Gesundheitspersonal werden lauter. Die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Maria Welskop-Deffaa, sagte am 18. Januar in Berlin, es sei durchaus denkbar, dass die Impfpflicht ihr Ziel verfehle, die Situation in den Einrichtungen zu stabilisieren. Der Paritätische Gesamtverband spricht in einem Brandbrief an alle Bundestagsabgeordneten von „großer Sorge“ bei seinen Mitgliedseinrichtungen. Die Diakonie Deutschland fordert, die Einrichtungen dürften nicht alleingelassen werden.

Kündigungen drohen

Caritas-Chefin Welskop-Deffaa erklärte, wenn wegen der Impfpflicht Personal abwandere, werde man schnell nachsteuern müssen. In ihrem Verband gebe es entsprechende Signale aus Bundesländern wie Thüringen, Bayern oder Baden-Württemberg, wo die Zahl der Impfskeptiker höher und auch unter den Beschäftigten in Caritas-Einrichtungen größer sei als etwa in Nordrhein-Westfalen oder Schleswig-Holstein. Die Leitungen berichteten, dass Kolleginnen und Kollegen ankündigten, sich ab März andere Beschäftigungen zu suchen, sagte sie.

Welskop-Deffaa erinnerte daran, dass die Caritas gefordert hatte, die Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht mit einer erweiterten oder allgemeinen Impfpflicht zu verknüpfen, um solche Entwicklungen zu vermeiden. Das werde nicht mehr gelingen, da eine breitere Impfpflicht voraussichtlich erst im Sommer wirksam werden könne, sagte sie. Umso wichtiger sei der Blick auf den kommenden Herbst. Sie erwarte von der Politik, dass sie das Land vorbereite, sagte die Caritas-Chefin. Die Zustimmung der Bevölkerung zu den Corona-Maßnahmen werde sonst weiter sinken.

Der Paritätische Gesamtverband drängt in einem am 18. Januar veröffentlichten Brief an die Abgeordneten auf eine Entscheidung des Bundestags über eine allgemeine Impfpflicht „deutlich vor dem jetzt diskutierten Zeitpunkt Ende März“. Der Vorsitzende Rolf Rosenbrock und Geschäftsführer Ulrich Schneider fordern eine „Impfgesamtstrategie“. Dass die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht wieder in Frage gestellt werde, führe in den Einrichtungen, für die sie schon bald gelten soll, zu Verunsicherungen. Zudem sei mit Verschärfungen der Personallage zu rechnen, wenn es tatsächlich in größerem Umfang zu Beschäftigungsverboten wegen Impfverweigerung komme - gerade mit Blick auf das Versorgungsgefälle zwischen Stadt und Land.

„Fragen zur Umsetzung ungeklärt“

Der Verband wirbt eindringlich dafür, „die Fristen für die allgemeine und die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu harmonisieren“. Das Verhältnis dieser beiden Impfszenarien müsse „austariert werden“, erklärt der Paritätische. Gebraucht werde eine abgestimmte und kohärente bundesweite Impfstrategie.

Der Bundestag hatte im Dezember mit breiter Mehrheit eine Impfpflicht für das Personal in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Behinderteneinrichtungen beschlossen, weil sie besonders gefährdete Menschen betreuen. Wer keine Immunität oder eine medizinische Kontraindikation gegen eine Corona-Impfung nachweisen kann, der oder dem droht vom 16. März an ein Beschäftigungsverbot. Der Paritätische und auch die Diakonie kritisierten, zahlreiche Fragen zur Umsetzung seien noch ungeklärt.

Diakonie-Vorständin Maria Loheide forderte einheitliche Regeln für das ganze Bundesgebiet und betonte, dass aus Sicht der Pflege die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht folgen muss. Sie wäre ein wichtiges Zeichen gesamtgesellschaftlicher Verantwortung, sagte Loheide. „Bei der zum 15. März beschlossenen einrichtungsbezogenen Impfpflicht sind noch viele rechtliche Fragen der Umsetzung ungeklärt. Hier muss die Politik rasch handeln, damit kein bundesweiter Flickenteppich entsteht.“ Die örtlichen Gesundheitsämter bräuchten Leitlinien für einheitliche Kriterien. „Das darf nicht zu Lasten der Einrichtungen und ihrer Träger geschehen. Viele Träger sind in verschiedenen Städten und Landkreisen aktiv - für deren Mitarbeitende muss gleiches Recht gelten.“

„Wilfried Wesemann, Chef des Deutschen Evangelischer Verbandes für Altenarbeit und Pflege (Devap), sagte mit Blick auf fehlendes Personal, “die Kompensation der Ausfälle darf nicht an denjenigen hängen bleiben, die ohnehin schon verantwortlich handeln und geimpft sind. Das ist bei den häufig dünnen Personaldecken schwierig."

Der Deutsche Pflegerat geht davon aus, dass Kündigungen vorwiegend von Beschäftigten mit unterstützenden Tätigkeiten wie Betreuungsassistenten oder Küchenpersonal zu erwarten sind. Pflegerats-Präsidentin Christine Vogler sagte, in diesen Berufsgruppen herrsche „eine etwas geringe Impfquote“ als beim Pflegepersonal.

Bettina Markmeyer, Dirk Baas


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