sozial-Politik

Diversität

Lotsin auf der Reise zum Selbst




llka Brühl
epd-bild/EKN/Christian Venn
Alle Menschen müssen lernen, sich zu akzeptieren, und die Gesellschaft muss lernen, alle Menschen zu akzeptieren - das ist die zentrale Botschaft von Ilka Brühl. Die junge Frau kam mit einer Lippenspalte zur Welt. Heute macht sie anderen Mut.

Braunschweig (epd). „Schweinenase“ lautet das erste Wort in Ilka Brühls Biografie. Die junge Braunschweigerin schildert darin, wie ein Schuljunge sie hänselte. Die erste Szene des Buchs umreißt, womit die 29-Jährige sich viele Jahre auseinandersetzen musste. Sie wurde mit einer Lippenspalte geboren, ein Teil ihres Gesichts war nicht richtig zusammengewachsen. Trotz mehrerer Operationen bleibt die Fehlbildung deutlich erkennbar.

Menschen mit Selbstzweifeln

Selbstzweifel, Sorgen und auch manche Hänselei gehörten und gehören zu Ilka Brühls Alltag. Sie hat gelernt, damit umzugehen. „Beleidigungen treffen mich schon lange nicht mehr“, sagt sie bestimmt. Doch zufriedengeben will sie sich damit nicht. „Es gibt viele, die auf ihrer Reise zum Selbst noch nicht so weit sind wie ich. Denen möchte ich helfen.“

Brühl sieht sich als Mutmacherin und als Lotsin. Ihre Zielgruppe sind grundsätzlich alle Menschen, die mit Selbstzweifeln kämpfen. Sie erreicht sie auf Facebook und Instagram. Sie schreibt ein eigenes Blog und produziert einen Podcast unter dem Titel „Du bist wunderbar“. „Da kann ich alles thematisieren, was mir am Herzen liegt“, sagt sie. Entscheidend sei jedoch auf allen Plattformen, dass sie sich authentisch präsentieren möchte. „Auch wenn das Wort vielleicht abgedroschen klingt.“

Viele Influencer präsentierten sich immer gut gelaunt, seien stets perfekt gestylt und vermittelten so ihren Followern letztlich ein unerreichbares Ideal und eine Fantasiewelt. „Ich will anders sein“, betont Brühl. „Ich zeige mich nicht nur an meinen besten Tagen. Zwar bin ich grundsätzlich positiv eingestellt, aber ich habe auch melancholische Phasen, die ich nicht verstecken will.“ Mehr als 34.000 Menschen folgen ihr bei Instagram. „Ich allein mache für sie vielleicht keinen großen Unterschied. Aber ich bin eine Stimme.“

Ausgegrenzt und allein

Der Kampf für mehr Akzeptanz ist ihr wichtig. Sogar gegen Widerstände in der eigenen Familie setzte sie ihn durch, etwa als sie dafür ihren Job als Maschinenbau-Ingenieurin bei VW aufgab. Der sei zwar „spannend gewesen, aber mehr auch nicht“, sagt sie mit einem Schulterzucken. Ihr neuer Weg gebe ihr und anderen eine Perspektive und die Aussicht auf Erfüllung. Das habe auch ihre Familie inzwischen erkannt. Letztlich steht ihr Werdegang ein weiteres Mal als Beispiel für die schwierige Reise zu sich selbst.

Als freiberufliche Autorin und Illustratorin versucht Brühl, ihre Werte auch über Bücher an Kinder und Jugendliche zu vermitteln. Gerade Kinderbücher faszinieren sie. „Die haben in der Kürze eine tolle Message.“ Ihr erstes Buch „Milo, der Naschkater“ erzählt die Geschichte vom Vegetarier Milo, der sich am liebsten von süßem Kuchen ernährt. Damit lebt auch Milo den Lesern Andersartigkeit vor. Sorgsam hat Brühl diese Botschaft in den Hintergrund gestellt. „Wichtig für die Kinder ist doch vor allem eine tolle Geschichte“, sagt sie.

Ihr sei wichtig, dass Kinder sich nicht ausgegrenzt und allein fühlen müssen, wenn sie sich einmal anders wahrnähmen. Ihr nächstes Buch „Die Plagegeister und der weiße Löwe“ wird im März erscheinen und sich an eine etwas jugendlichere Leserschaft richten. Weitere Kinderbücher sollen folgen. Und auch in Vorträgen und in Kooperation mit Unternehmen will Brühl ihre Botschaft weiter in die Welt tragen. „Ich möchte den Leuten helfen, dass sie die Vielfalt als etwas Bereicherndes wahrnehmen.“

Björn Schlüter