sozial-Politik

Corona

Ethikrat empfiehlt allgemeine Impfpflicht und Impfregister




Ausweis dokumentiert die Booster-Impfung
epd-bild/Friedrich Stark
In der Debatte um eine allgemeine Impfpflicht hat sich jetzt auch der Deutsche Ethikrat positioniert. Er plädiert mehrheitlich für eine Impfpflicht, entweder für alle Erwachsenen ab 18 Jahren oder nur für besonders gefährdete Menschen. Die evangelische Regionalbischöfin Petra Bahr, Mitglied des Ethikrats, ist indes gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht.

Berlin (epd). Der Deutsche Ethikrat ist für die Einführung einer allgemeinen Corona-Impfpflicht. Wie aus einer am 21. Dezember veröffentlichten Stellungnahme des Gremiums hervorgeht, sprechen sich 20 von 24 Mitgliedern für die Ausweitung der bereits beschlossenen Impfpflicht in Einrichtungen mit besonders von Covid-19 gefährdeten Menschen aus, allerdings in zwei abgestuften Varianten.

Einen mit körperlicher Gewalt verbundenen Impfzwang lehnt der Ethikrat ab. Gleichzeitig empfehlen die Experten zur Umsetzung einer Impfpflicht die Einführung eines nationalen Impfregisters sowie viele niedrigschwellige Impfangebote.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Grüne) sprach sich auf Grundlage der Stellungnahme für schnelle Beratungen im Parlament aus. Auch der Präsident des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager (CDU), ist für die Impfpflicht, ebenso die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Annette Kurschus. DGB-Chef Reiner Hoffmann dringt vor der Einführung einer allgemeinen Impfpflicht auf eine breitere öffentliche Debatte.

Ethikrat betont moralische Verpflichtung

Der Ethikrat sehe eine grundsätzliche moralische Verpflichtung, durch eine Impfung sich und andere zu schützen, heißt es in der Stellungnahme. „Eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht darf hingegen nur dann zum Einsatz kommen, wenn die Bewältigung einer schweren Krise ohne diese Maßnahme absehbar nicht erfolgreich sein kann.“ In dem 27-seitigen Papier wägen die Expertinnen und Experten rechtliche Bedenken und ethische Grundsätze über Freiheit, Solidarität und Selbstbestimmung gegeneinander ab.

In der Konsequenz votierten laut Stellungnahme 13 Mitglieder für eine allgemeine Impfpflicht für alle Erwachsenen ab dem 18. Geburtstag. Ihr Argument ist im Wesentlichen die nachhaltige Beherrschung der Corona-Pandemie. Sieben Ethikratsmitglieder plädierten dafür, eine Impfpflicht auf diejenigen zu begrenzen, die ein hohes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf haben. Dies erscheine ausreichend, um das Ziel, eine Überlastung des Gesundheitswesens zu vermeiden, zu erreichen, begründeten sie ihren Vorschlag. Vier Experten votierten gegen die Impfpflicht, wobei die Stimmen nicht namentlich zugeordnet wurden.

Göring-Eckardt für fraktionsübergreifenden Dialog

Bundestagsvizepräsidentin Göring-Eckardt sagte den am 22. Dezember erschienenen Zeitungen der Funke Mediengruppe, sie lade dazu ein, sich im Januar fraktionsübergreifend mit Fachleuten aus Wissenschaft und Gesellschaft über die Umsetzung einer allgemeinen Impfpflicht auszutauschen und dann anhand der Richtlinien des Ethikrates die einrichtungsbezogene Impfpflicht auf die Bevölkerung auszuweiten. Der Präsident des Landkreistages, Sager, sagte: „Bei der allgemeinen Impfpflicht müssen wir unbedingt aufs Tempo drücken.“ Das Schließen der Impflücke sei die „beste Chance, die Pandemie wirklich einmal hinter uns lassen zu können und zu einem normalen Leben zurückzukehren“.

Vollständig gegen Covid-19 geimpft sind den Angaben des Robert Koch-Instituts zufolge derzeit 70,4 Prozent der Bevölkerung in Deutschland, mindestens 32,6 Prozent haben zusätzlich eine Auffrischimpfung erhalten.

Kurschus: Geht nicht um eigene Interessen

Die EKD-Ratsvorsitzende Kurschus sagte dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Eine Eindämmung des Infektionsgeschehens ist letztlich nur über das Impfen möglich.“ Damit sei es keine beliebige Entscheidung, ob man sich impfen lässt oder nicht. „Hier geht es nicht zuerst um meine eigenen Interessen, es geht darum, durch mein Verhalten das Leben anderer Menschen zu schützen“, sagte sie.

Der Präsident des Bundesverbandes der Anbieter sozialer Dienste (bpa), Bernd Meurer sagte: „Der Ethikrat hat sich klar positioniert; das muss jetzt die Basis für eine zeitnahe Entscheidung des Bundestages sein.“ Nach der einseitigen Belastung der Pflege durch die einrichtungsbezogene Impfpflicht wachse an vielen Orten die Gefahr, dass Pflegekräfte dem Beruf den Rücken kehrten. „Das muss die Politik unbedingt verhindern. Außerdem können vulnerable Gruppen am besten geschützt werden, wenn auch Besucher und Angehörige geimpft sind“, so Meurer. Das klare Signal einer allgemeinen Impfpflicht würde erheblich den Druck von der Pflege nehmen.

Regionalbischöfin Petra Bahr, Mitglied des Deutschen Ethikrats, ist gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht. „Eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht für alle Erwachsenen kann ich zum jetzigen Zeitpunkt nicht unterstützen“, sagte die Theologin am 22. Dezember dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Dieses Instrument erscheint mir angesichts der Härte des Eingriffs und der extrem unterschiedlichen Risikoverteilung nicht angemessen und nicht effektiv zu sein.“

Bahr sieht Gefahren für die Selbstbestimmung

Plausibel erscheine aus ihrer Sicht eine Ausweitung der Impfpflicht auf Risikogruppen wie Ältere, Vorerkrankte oder Schwangere, sagte Bahr. „Auch die bereichsbezogene Ausweitung, etwa für die Teile des öffentlichen Dienstes, deren Mitarbeitende eine besonders hohe Exposition haben, ist vorstellbar.“ Eine allgemeine Impfpflicht sei allerdings selbst in einer Katastrophensituation ein schwerwiegender Eingriff in die Selbstbestimmung, betonte die promovierte Theologin: „Die Selbstbestimmung über den eigenen Körper zu erlangen ist das Ergebnis der Freiheits- und Demokratiegeschichte. Sie wurde hart errungen.“

Skepsis gegenüber einer allgemeinen Impfpflicht kommt auch von der Deutschen Stiftung Patientenschutz. Sie „muss vom Ende her gedacht werden“, sagte Vorstand Eugen Brysch dem epd. „Deutschland hat heute nicht die Infrastruktur, in relativ kurzen Intervallen 70 Millionen Menschen zu impfen“, sagte er. Ohne zentrales Impfregister sei „das ganze Vorhaben zum Scheitern verurteilt“.

Corinna Buschow