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Studie: Hilfspakete in Pandemiekrise gehen meist an Frauen vorbei



Gut gemeint, aber schlecht gemacht: Gewerkschafterinnen kritisieren die Corona-Hilfspakete der Bundesregierung. Die Gleichstellung der Frauen werde durch sie einer neuen Studie zufolge kaum gefördert. Im Gegenteil.

Düsseldorf (epd). Viele der milliardenschweren Corona-Hilfen der Bundesregierung verstärken einer Studie zufolge Schieflagen in der Gleichstellung von Frauen und Männern vor allem auf dem Arbeitsmarkt. Die Analyse zeige, dass 38 Prozent der 108 untersuchten Maßnahmen Männern eher nutzten als Frauen, teilte das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung am 18. November in Düsseldorf mit. Für 21 Prozent sei der absehbare Nutzen für Frauen größer einzuschätzen als für Männer. Für Elke Hannack, stellvertretende Vorsitzende des DGB, ein Ärgernis: „Wir brauchen künftig bei allen Regierungsvorhaben schon in der Planung einen Gleichstellungscheck.“

„Rückstand zu Männern vergrößert“

Untersucht wurden die drei zentralen Corona-Hilfspakete der Bundesregierung, darunter das Kurzarbeitergeld, der Entlastungsbeitrag für Alleinerziehende, der Kinderbonus und Hilfen für Selbstständige. Die Studienergebnisse zeigten, „dass viele Maßnahmen so aufgesetzt waren, dass sie seltener und in geringerem Umfang Frauen nutzen als Männern“, erklärte Bettina Kohlrausch, wissenschaftliche Direktorin des WSI.

Bestehende Ungleichheitsstrukturen hätten sich in der Krise noch verstärkt, weil es vor allem Frauen seien, die ihre Jobs wegen der Kinderbetreuung aufgegeben oder ihre Arbeitszeit stärker als ihre Partner reduziert hätten. „Es ist zu befürchten, dass sich diese Belastung auch längerfristig negativ auf die Erwerbsbeteiligung von Frauen auswirken“, sagte Kohlrausch.

Es sei nicht gelungen, die speziellen Belastungen für Frauen in der Krise durch die Hilfen der Regierung abzumildern. Im Gegenteil: „Der Rückstand zu Männern wurde eher noch vergrößert“. Das sei ein Beispiel für eine geschlechterblinde Politik, wie es sie im Jahr 2021 eigentlich nicht mehr geben sollte, sagte die Direktorin.

Fehlende Geschlechtersensibilität

Sie nannte exemplarisch das Kurzarbeitergeld. Denn davon hätten Millionen Frauen in Minijobs nichts gehabt, etwa die im Hotel- und Gaststättengewerbe. Dazu komme die ungünstige Versteuerung von geringer entlohnten Teilzeitjobs. Grundsätzlich brauche es mehr existenzsichernde Beschäftigung von Frauen. Auch müssten Minijobs abgeschafft werden, denn sie „sind ein Grund, warum Frauen in der Krise so gelitten haben“.

Studien-Autorin Regina Frey, die als Expertin für Gleichstellungsfragen auch Kommunen, Bundesländer und Bundesbehörden berät, forderte für künftiges Krisenmanagement ein Monitoring der Hilfen, das nach Geschlecht und gegebenenfalls auch nach anderen sozialen Kategorien differenziert werde. Das sei internationaler Standard „und Teil eines guten Regierungshandelns“.

Die stellvertretende DGB-Vorsitzende Hannack sagte, bis heute sei es der Politik trotz gesetzlicher Verpflichtungen nicht gelungen, die Benachteiligung von Frauen zu beenden. Das sei nicht nur bei den Corona-Hilfen des Bundes zu sehen, denen es an der Geschlechterperspektive gefehlt habe, sondern auch ganz deutlich bei zwei Regelungen, die der DGB seit Jahren als Fehlanreize geißele: die Minijobs und die Steuerklasse V. Sie hätten sich auch in der Corona-Krise als „Treiber der Geschlechterungerechtigkeit erwiesen“ und gehörten von der künftigen Bundesregierung schleunigst abgeschafft - ebenso wie das Ehegattensplitting.

Nur so sei ein Aufbruch in sozial gerechtere Zeiten möglich, den das Land jetzt dringend brauche, unterstrich Hannack: „Wo Fortschritt draufsteht, muss auch Gleichstellung drin sein.“

Dirk Baas