sozial-Recht

Bundessozialgericht

Fahrtkostenzuschuss für Hartz-IV-Aufstocker ist Einkommen




Protestaktion gegen geringe Hartz-IV-Zahlungen
epd-bild/Jürgen Blume
Hartz-IV-Aufstocker sollten sich den Einsatz ihres privaten Pkw für dienstliche Fahrten genau überlegen. Zahlt der Arbeitgeber 30 Cent pro gefahrenem Kilometer, gilt dies als auf das Arbeitslosengeld II anzurechnendes Einkommen, urteilte das Bundessozialgericht.

Kassel (epd). Hartz-IV-Aufstocker können sich über einen vom Arbeitgeber gezahlten Fahrtkostenzuschuss für den Einsatz des privaten Pkw auf der Arbeit nicht ungetrübt freuen. Wenn der Arbeitgeber für anfallende betriebliche Wege einen Zuschuss zahlt, gilt dieser als Einkommen, der das Arbeitslosengeld II mindern kann, urteilte am 11. November das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Allerdings können zehn Cent pro Kilometer Betriebsweg danach pauschal abgesetzt werden. Darüber hinausgehende Kosten müssen konkret belegt werden. Nach einem weiteren Urteil der obersten Sozialrichter verbleibt Hartz-IV-Beziehern eine erhaltene staatliche Entschädigung wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens in voller Höhe.

Privat-Pkw im Einsatz für den ASB

Im ersten Verfahren arbeitete der Kläger als Mitarbeiter des Begleitdienstes im Fahrdienst des Arbeiter-Samariter-Bundes. Der in Zwickau lebende Mann war auf aufstockende Hartz-IV-Leistungen angewiesen. Während der Arbeitszeit musste er regelmäßig mit seinem privaten Pkw zwischen einzelnen Einrichtungen des Arbeitgebers pendeln und Erledigungen ausführen. Der Arbeitgeber zahlte ihm für die betrieblich bedingten Fahrten pro Kilometer 30 Cent. Im Streitzeitraum von April 2015 bis September 2016 kamen so 498 Euro zusammen.

Das Jobcenter Zwickau wertete den Fahrtkostenzuschuss als Einkommen. Die vom Arbeitgeber gewährte Zahlung mindere das Arbeitslosengeld II.

Das Sächsische Landessozialgericht (LSG) urteilte, dass der Zuschuss zwar als Einkommen zu werten sei. Allerdings habe der Arbeitgeber hierfür eine Gegenleistung vom Kläger erhalten, nämlich die Nutzung des privaten Pkws. Da die Kosten für die private Pkw-Nutzung bei schätzungsweise 31 Cent pro Kilometer liegen, dürfe der darunter liegende Arbeitgeberzuschuss nicht mindernd auf die Hartz-IV-Leistungen angerechnet werden.

Kein wertmäßiger Zuwachs

Das BSG wertete den Fahrtkostenzuschuss ebenfalls als Einkommen, das ihm im „sachlichen Zusammenhang mit der Beschäftigung“ zugeflossen ist. Es handele sich aber um „bereite Mittel“ und nicht generell um einen reinen Durchlaufposten, bei dem dem Hartz-IV-Bezieher kein wertmäßiger Zuwachs verbleibt. Denn der Zuschuss könne nach der Zahlung durch den Arbeitgeber frei verwendet werden.

Allerdings könnten angestellte Hartz-IV-Aufstocker ähnlich wie Selbstständige im Hartz-IV-Bezug für die berufliche Nutzung des Pkws Absetzbeträge geltend machen. Die entsprechenden Regelungen für Selbstständige kämen zwar nicht unmittelbar für angestellte Hartz-IV-Aufstocker zur Anwendung, so das BSG. „Aus Gründen der gleichmäßigen Handhabung“ und der Verwaltungsvereinfachung liege dies aber nahe.

Somit könne bei einem Fahrtkostenzuschuss für jeden Kilometer auf einem Betriebsweg pauschal zehn Cent abgesetzt werden. Darüber hinaus seien weitere Absetzbeträge möglich, wenn entsprechend höhere Kosten tatsächlich nachgewiesen werden. Welche Absetzungen für welche Autokosten im Einzelfall vorzunehmen sind, muss das LSG nun noch einmal prüfen.

Staat zahlte zur Entschädigung 3.000 Euro

Im zweiten Verfahren urteilte das BSG, dass Hartz-IV-Bezieher eine erhaltene staatliche Entschädigung wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens in voller Höhe behalten dürfen. Im Streitfall hatte eine Hartz-IV-Bezieherin aus dem Raum Holzminden sich einen Rechtsstreit um höhere Unterkunftskosten mit dem Jobcenter geliefert. Nach viel zu langer Zeit endete das Verfahren in einem gerichtlichen Vergleich.

Wegen der überlangen Verfahrensdauer erhielt die Frau im Mai 2017 insgesamt 3.000 Euro als staatliche Entschädigung gutgeschrieben. Das Jobcenter meinte, dass sie das Geld für ihren Lebensunterhalt verwenden müsse. Die Behörde forderte zudem 805 Euro an zu viel gezahlter Hilfeleistung zurück.

Dies war rechtswidrig, urteilte das BSG. Leistungen, die wegen „öffentlich-rechtlicher Vorschriften“ zu einem bestimmten Zweck gezahlt werden, dürften nicht als Einkommen angerechnet werden.

Dazu zähle auch eine Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer. Diese habe den ausdrücklichen Zweck, die Folgen des überlangen Verfahrens abzumildern. Die Entschädigung diene der Wiedergutmachung und dürfe nicht mindernd auf die Hilfeleistungen angerechnet werden.

Kein Versicherungspauschbetrag für Sozialhilfebezieher

In einem weiteren Verfahren urteilte das BSG, dass Sozialhilfebezieher, die mit ihrem im Arbeitslosengeld-II-Bezug stehenden Ehepartner in einer Bedarfsgemeinschaft leben, nicht vom Jobcenter die monatliche Pauschale für private Versicherungen in Höhe von 30 Euro als zusätzliche Leistung erhalten können. Auch wenn beim Arbeitslosengeld II der Versicherungspauschbetrag gewährt wird, sei dies auf Sozialhilfebezieher nicht anwendbar - selbst wenn sie in einer Bedarfsgemeinschaft mit einem Hartz-IV-Bezieher zusammenleben, so das BSG.

Az.: B 14 AS 41/20 R (Bundessozialgericht, Fahrtkosten)

Az.: B 14 AS 15/20 R (Bundessozialgericht, Entschädigung)

Az.: B 14 AS 89/20 R (Bundessozialgericht, Versicherungspauschale)

Frank Leth