Wuppertal (epd). Sozialverbände und Arbeitsloseninitiativen warnen vor sich verschlechternden Lebensbedingungen für Bezieherinnen und Bezieher der Grundsicherung. Hartz-IV-Empfänger und Erwerbsunfähige seien im kommenden Jahr von deutlichen Kaufkraftverlusten bedroht, erklärte das Sozialbündnis „aufRecht bestehen“ gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd). Grund dafür seien eine zu geringe Anhebung der Regelsätze zum Jahreswechsel sowie der starke Anstieg bei den Energiepreisen. Der Kauf von Atemschutzmasken und anderen Hygieneartikeln in der Corona-Pandemie belaste den schmalen Geldbeutel von Empfängern der Sozialleistung zusätzlich.
Die für den Jahreswechsel geplante Erhöhung der Hartz-IV-Sätze von 446 auf 449 Euro sei „ein Schlag ins Gesicht derjenigen, deren Geld nicht erst seit Beginn der Corona-Krise an allen Ecken und Enden nicht reicht“, kritisierte der Sprecher des Bündnisses, Frank Jäger. Die Menschen am unteren Ende der Einkommensskala spürten die aktuelle Inflationsrate von rund vier Prozent „bei jedem Einkauf im Supermarkt existenziell“.
Hinzu komme, dass bei den Strompreisen zum neuen Jahr „vielerorts rasante Preissteigerungen angekündigt“ seien. Absehbar sei außerdem, dass sich die von den Ampelparteien SPD, Grünen und FDP geplante Energiewende vor allem bei Bezieherinnen von Grundsicherungsleistungen auswirken werde, da die Stromkosten in der Regelleistung enthalten sind.
Eine noch höhere Preissteigerung sei bei den Kosten für Heizung und Warmwasser zu verzeichnen. Laut dem „Heizspiegel für Deutschland 2021“, den die gemeinnützige Beratungsgesellschaft co2online mit dem Deutschen Mieterbund und dem Verband kommunaler Unternehmen erarbeitet hat, sind für das laufende Jahr bei einer durchschnittlichen Wohnung von 70 Quadratmeter 90 Euro mehr an Gaskosten zu erwarten. Das entspricht einer Erhöhung um 13 Prozent.
Unter den Grundsicherungsbeziehern seien insbesondere diejenigen hart getroffen, deren Miete und Heizkosten nicht voll vom Sozialamt oder Jobcenter übernommen werden und die deshalb noch Geld aus der ohnehin knappen Regelleistung für die Kosten der Unterkunft abzweigen müssten. Nach Angaben des Wuppertaler Sozialexperten ist das etwa jede fünfte Person im Hartz-IV-Bezug.
Das Sozialbündnis fordert daher als Sofortmaßnahme, dass die Bundesregierung die Regelsätze deutlich anhebt. Außerdem müssten Nachzahlungen für Heizkosten unbürokratisch übernommen werden.
Von einer künftigen Ampel-Koalition erwartet das Bündnis eine Anhebung der Regelsätze von derzeit knapp 450 Euro auf mindestens 600 Euro pro Monat plus die volle Erstattung der tatsächlichen Wohnkosten. Darüber hinaus müsse es Zuschüsse für die Anschaffung von energiesparenden Haushaltsgeräten geben.
Das im Sondierungspapier der Ampel angekündigte „Bürgergeld“ für Hartz-IV-Bezieher sieht das Sozialbündnis skeptisch. Das Bürgergeld soll laut Sondierungspapier „die Würde des und der Einzelnen achten“ und „zur gesellschaftlichen Teilhabe befähigen“. Die Kritik des Bündnisses: „Über konkrete Verbesserungen schweigt sich das Sondierungspapier leider weitgehend aus. Die menschenverachtenden und existenzbedrohenden Sanktionen für Langzeitarbeitslose will man offenbar nicht abschaffen, sondern beibehalten.“ Einen Bruch mit Hartz IV könne es aber nur geben, wenn „mit dem Sanktionsregime Schluss gemacht wird“.