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Corona

Diakonie-Studie: Lebensgefühl in der Pandemie höchst ambivalent




Hausaufgabenhilfe unter Corona-Bedingungen
epd-bild/Carolin George
Die Corona-Pandemie belastet die Menschen höchst unterschiedlich. Die einen fühlen sich existenziell bedroht, andere nehmen die Einschränkungen leicht. Eine Langzeitstudie der Diakonie hat das Lebensgefühl der Menschen untersucht.

Berlin (epd). Das Lebensgefühl der Menschen in der Corona-Krise ist einer Studie zufolge höchst ambivalent. Die am 15. November in Berlin vorgestellte Untersuchung hat acht verschiedene Corona-Typen in der Gesellschaft identifiziert, die ganz unterschiedlich mit der Pandemie umgegangen sind. Die qualitative Langzeitstudie mit dem Titel „Lebensgefühl Corona“ solle auch dazu beitragen, wirksame Beratungs- und Hilfsangebote zu entwickeln, sagte Diakoniepräsident Ulrich Lilie. Von September 2020 bis Juli 2021 fanden für die Studie drei Befragungen unter insgesamt 50 Personen statt.

Eine „stille Katastrophe“

„Mütend“, eine Wortschöpfung, die eine Mischung aus müde und wütend kennzeichnen soll, gibt nach Auffassung des Präsidenten der Diakonie den Gefühlszustand der meisten Menschen in der Pandemie zutreffend wieder. In „dieser stillen Katastrophe“ seien sie müde und wütend darüber, dass sie aufgrund der Kontaktbeschränkungen ihre Beziehungen nicht mehr wie gewohnt aufrechterhalten konnten und können.

Der Studie zufolge sind in der Pandemie bestehende soziale und Bildungsunterschiede besonders deutlich hervorgetreten. So seien beim Homeschooling Kinder und Jugendliche aus einem gut situierten Bildungshaushalt mit dem Fernunterricht gut zurechtgekommen, während sich Kinder aus bildungsfernen Milieus sehr schwertaten. Insgesamt sei in der Studie deutlich geworden, dass die materiellen Möglichkeiten und die kulturelle Herkunft entscheidend seien „für das Erleben in der Pandemie“, sagte Lilie.

Einige Befragte beschreiben ihre veränderte Lebenslage in der Pandemie sogar als positiv. Dadurch, dass lange Wege zur Arbeit und Dienstreisen weggefallen seien und statt stundenlanger Meetings kompakte Zoom-Meetings stattgefunden hätten, hätten sich diese Menschen über die gewonnene Zeit für Privates gefreut. „Es ist ein Verdienst der Studie, dass sie die Ambivalenzen dieser Zeit klar aufzeigt“, sagte Lilie.

Familie und Freunde geben emotionalen Halt

Insgesamt haben sich in der Untersuchung nach den Worten des Studienleiters Daniel Hörsch acht unterschiedliche „Corona-Typen“ herausgebildet: die Achtsamen, die Ausgebrannten, die Denkerinnen und Denker, die Empörten, die Erschöpften, die Genügsamen, die Mutmacherinnen und Mutmacher und die Zuversichtlichen. Die Studie, bei der im Kern „Wie geht es Ihnen?“ gefragt worden sei, gebe „einen unverstellten Blick auf das Lebensgefühl der Menschen in allen Phasen der Pandemie“, sagte Hörsch.

Dabei habe sich gezeigt: Emotionalen Halt gäben den Menschen in der Pandemie an erster Stelle Familie und Partnerschaft, gefolgt von Freunden und Nachbarn. Schließlich hätten auch Natur, Sport und Spirituelles eine Bedeutung.

Der Diakoniepräsident zeigte sich davon überzeugt, dass die materiellen und die psychosozialen Folgen von Corona die Gesellschaft noch lange beschäftigen werden. Er forderte eine „verlässliche und flächendeckende Beratung und Angebote, insbesondere für die knapp drei Millionen Kinder in relativ armen Haushalten“. Insgesamt müssten die Angebote von Kirche und Diakonie noch stärker auf die individuellen Probleme der Bedürftigen ausgerichtet werden. Ungeachtet der Tatsache, dass der Diakonie in der Umfrage gute Noten bescheinigt worden seien, forderte Lilie die Einrichtungen auf, noch mehr zu fragen: „Was wollt ihr, das wir für euch tun?“ Denn manchmal seien die Angebote der sozialen Dienstleister „zu konfektioniert“.

„Was bringt mir die Kirche?“

Die Studie hat auch untersucht, welche Rolle Kirche und Diakonie während der Pandemie für die Menschen gespielt haben. Dabei kam nach der Auffassung von Christian Albrecht, Theologe an der Ludwig-Maximilians-Universität München, deutlich heraus, dass die Erwartungen an die Kirche stärker auf Alltagsbedürfnisse gerichtet sind, als die Kirche oft annehme. „Menschen fragen, was ihnen die kirchlichen Angebote bringen“, sagte der Theologieprofessor.

„Lebensgefühl Corona“ ist eine gemeinsame Analyse der Evangelischen Zukunftswerkstatt „midi“, der Diakonie Deutschland, der Agaplesion gAG, der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München und des Marktforschungsinstituts Limest.

Markus Jantzer