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Prostituierte: Sie verstecken ihr Gesicht und ihre Träume



Es ist ein gesellschaftliches Tabuthema: Einen künstlerischen Blick auf Frauen in der Prostitution wirft eine Ausstellung in Mannheim. Eindrückliche Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen den Alltag, aber auch Hoffnungen und Träume von Prostituierten.

Mannheim (epd). Sie wünschen sich ein anderes Leben und verstecken in der Gesellschaft ihr Gesicht: Mit der Sonderausstellung „gesichtslos - Frauen in der Prostitution“ wollen die diakonische Beratungsstelle Amalie und die Reiss-Engelhorn-Museen Mannheim (REM) auf die prekären Lebens- und Arbeitswelten von Prostituierten aufmerksam machen, sagte REM-Generaldirektor Wilfried Rosendahl am 10. November in Mannheim. Dazu werden 40 Schwarz-Weiß-Aufnahmen des Fotografen Hyp Yerlikaya seit dem 14. November gezeigt.

Eines der eindrücklichen Bilder zeigt eine schutzlose Frau allein im Wald. „An einsamen Orten muss man immer Angst haben, dass der Freier dich ohne Geld stehen lässt“, wird sie zitiert.

Weil Prostituierte in der Gesellschaft oft wie Dreck behandelt werden, verbergen sie ihre wahre Identität. Auch in den Fotografien werden sie nur anonym gezeigt - mit weißen Masken, die das ganze Gesicht bedecken. Dabei hält der Fotograf die Menschen, Situationen und Orte nicht bildjournalistisch fest, sondern mit Mitteln der Inszenierung.

Geschichten von Sorgen, Träumen und Hoffnungen

Er erzähle so die Geschichten der Frauen, ihrer Ängste und Sorgen, aber auch ihrer Träume und Hoffnungen, erläutert Kuratorin Stephanie Herrmann. Entstanden sind die Bilder und Erfahrungsberichte in einer zweijährigen Zusammenarbeit des Fotografen gemeinsam mit den Frauen und der Beratungsstelle.

Aus mehr als 1.800 Fotografien seien 40 ausgewählt worden: „Wir wollten keine voyeuristischen Klischees bedienen“, sagte Herrmann. Dass ein Mann fotografierte, habe keine Rolle gespielt. Es seien sehr sensible Aufnahmen entstanden, die von Zitaten der beteiligten zehn Frauen ergänzt würden. Nur durch diese Texte werde die Bedeutungstiefe der Bilder sichtbar.

So wird eine Frau gezeigt, wie sie in einer Kirche vor dem Altar kniet: „Jeder muss an irgendetwas glauben, in der Not und in schwierigen Zeiten. Jeder hält sich an irgendwas fest“, wird sie zitiert.

Diakonie begrüßt Debatte über Sexkaufverbot

Der Direktor der Diakonie Mannheim, Michael Graf, sagte, die Arbeit der Beratungsstelle habe dazu geführt, das Prostitution endlich als Menschenrechts-Thema erkannt wurde: „Die Frauen werden ökonomisch, sexuell und körperlich ausgebeutet.“ Die Diakonie begrüße die Diskussion über ein Sexkaufverbot. So wie es im Moment sei, könne es für diese Frauen nicht weitergehen.

Ziel der Ausstellung sei es, die oftmals prekären Lebens- und Arbeitswelten von Prostituierten in Deutschland sichtbar zu machen und zum öffentlichen Diskurs darüber anzuregen, sagte Julia Wege, die die Beratungsstelle Amalie 2013 gegründet hat. In der Gesellschaft gebe es viele Klischees über die Frauen, etwa dass sie viel Geld verdienen würden.

Gesetz von 2017 erreichte Ziel nicht

Dies sei aber meist nicht der Fall. Die promovierte Sozialarbeiterin kritisiert das Prostitutionsschutzgesetz von 2017. Es habe nicht das Ziel erreicht, Frauen zu schützen. Viele Frauen hätten große Unsicherheiten und wahnsinnige Ängste. Sie wollten aussteigen, wüssten aber nicht, wie dies gelingen kann. Irina ist es gelungen. Sie hörte auf, als sie schwanger wurde.

Doch eines stellen die Frauen immer wieder fest: „Prostitution klebt an dir, du kannst es nicht abwaschen, die Erinnerungen daran bleiben ein Leben lang.“

Christine Süß-Demuth