sozial-Recht

Bundessozialgericht

Rettungsdienst-Notarzt im Nebenjob meist abhängig beschäftigt




Notarzteinsatz bei einem Verkehrsunfall (Archivbild)
epd-bild/Gustavo Alabiso
Das Bundessozialgericht hat geklärt, unter welchen Bedingungen Notärzte im Nebenjob der Sozialversicherungspflicht unterliegen. Demnach reicht es nicht aus, eine Honorarvereinbarung zu schließen. Die allein könne die gesetzlichen Regelungen zur Sozialversicherungspflicht nicht aushebeln, befand das Gericht.

Kassel (epd). Notärztinnen und Notärzte im Nebenjob unterliegen mit ihrer Arbeit im Rettungsdienst in der Regel der Sozialversicherungspflicht. Nur weil die Mediziner neben ihrer Vollzeitbeschäftigung - etwa in einer Klinik - zusätzlich für ihren Nebenjob eine Honorarvereinbarung über eine „freiwillige Tätigkeit“ abgeschlossen haben, liegt noch keine selbstständige Tätigkeit vor, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) in drei am 19. Oktober verkündeten Urteilen.

Die BSG-Rechtsprechung kann bei Rettungsdienstträgern zu höheren Beiträgen zur Berufsgenossenschaft und zur Sozialversicherung führen. Für Letztere gilt das generell für Zeiten bis zum 10. April 2017, danach müssen infolge einer gesetzlichen Neuregelung zwar keine Sozialversicherungsbeiträge mehr gezahlt werden, wenn die Mediziner mindestens 15 Stunden wöchentlich einer Beschäftigung außerhalb des Rettungsdienstes nachgehen oder als niedergelassener Arzt tätig sind. Bei einer geringeren wöchentlichen Stundenzahl - etwa wenn Ärzte in Vollzeitstellung sich in Elternzeit befinden und nebenberuflich noch als Notarzt im Rettungsdienst arbeiten - können indes Beitragszahlungen die Folge sein.

Drei Fälle vor Gericht

Im Streit ging es um die Sozialversicherungspflicht dreier Notärzte im Nebenjob. Einer war für den Landkreis Fulda nebenberuflich im Rettungsdienst tätig. Der Rettungsdienstträger hatte mit dem Arzt eine Honorarvereinbarung über eine „freiberufliche Tätigkeit“ ab August 2016 geschlossen und glaubte, damit keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen zu müssen. Seit 2017 ist der Arzt beim Malteser Hilfsdienst zusätzlich in Vollzeit beschäftigt.

In den zwei anderen Verfahren ging es um zwei in einem Krankenhaus angestellte Ärzte, die für die Kreisverbände des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) im baden-württembergischen Wolfach beziehungsweise in Rottweil als freiberuflicher Notarzt im Nebenjob seit 2014 und seit August 2015 arbeiteten.

Die Deutsche Rentenversicherung Bund (DRV) wertete in allen drei Fällen den Nebenjob als sozial-versicherungspflichtige Tätigkeit. Nur weil eine Vereinbarung über eine „freiberufliche Tätigkeit“ vorliege, sei eine Sozialversicherungspflicht nicht ausgeschlossen. Hier seien die Notärzte eng in den Rettungsdienst des Landkreises und des Deutschen Roten Kreuzes eingebunden gewesen. Dies sei ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung.

Landkreis sah eigenverantwortliche Arbeit

Landkreis und die beiden Kreisverbände des DRK verwiesen darauf, dass eine freiberufliche Tätigkeit vereinbart wurde. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche, dass die Ärzte eigenverantwortlich ihrer Arbeit nachgehen konnten. Zwar sei der Rettungsdiensteinsatz rechtlich stark reglementiert. Diese Vorgaben dürften aber nicht zulasten der Beteiligten so ausgelegt werden, dass eine abhängige Beschäftigung vorliegt.

Das BSG urteilte, dass bei nebenberuflichen Notärzten im Rettungsdienst in der Regel von einer Sozialversicherungspflicht auszugehen sei. Hier seien die Ärzte „engmaschig“ während der einzelnen Dienste in die Arbeitsabläufe des öffentlichen Rettungsdienstes eingegliedert gewesen. So mussten sie bei einem Alarm innerhalb einer vorgegebenen Zeit ausrücken. Dass dies auch auf rechtliche Vorgaben zurückzuführen ist, spiele für das Bestehen der Sozialversicherungspflicht keine Rolle.

Die Ärzte hätten zudem überwiegend fremdes Personal und Rettungsmittel genutzt. Eigene Mittel - typisch für eine selbstständige Tätigkeit - hätten sie nicht eingesetzt.

Kein eigenes Unternehmerrisiko

Eine Honorarvereinbarung könne gesetzliche Regelungen zur Sozialversicherungspflicht nicht aushebeln. Die Ärzte handelten in ihrer Arbeit zwar weitgehend eigenverantwortlich, das mache ein angestellter Chefarzt aber auch. Schließlich trugen sie kein eigenes Unternehmerrisiko. Sie erhielten ein festes Honorar und hatten keine Möglichkeit, ihren eigenen Gewinn durch unternehmerisches Handeln zu steigern, so dass nach den Gesamtumständen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung vorliege.

Die obersten Sozialrichter verwiesen auch auf Ähnlichkeiten zu ihrer Rechtsprechung hinsichtlich der Sozialversicherungspflicht bei Honorarärzten in Krankenhäusern. Danach sind Honorarärzte wegen ihrer Einbindung in die Arbeitsorganisation in der Regel abhängig beschäftigt. Für Ärzte gebe es „keine eigenen Maßstäbe“ bei der Sozialversicherungspflicht, so das BSG am 4. Juni 2019. Im Streitfall hatte eine Anästhesistin auf Stundenbasis in einem Krankenhaus gearbeitet. Diese habe aber ihre Arbeitskraft „nicht anders als angestellte Ärztinnen und Ärzte eingesetzt“, betonte das BSG. Sie habe weder eine eigene Betriebsstätte gehabt, noch ein unternehmerisches Risiko getragen.

Az.: B 12 KR 29/19 R, B 12 R 9/20 R und B 12 R 10/20 R (Bundessozialgericht Notärzte)

Az.: B 12 R 11/18 R (Bundessozialgericht Honorarärzte)

Frank Leth