Stuttgart (epd). Arbeitgeber müssen Beschäftigten eine Urlaubskürzung wegen ihrer Elternzeit während des laufenden Arbeitsverhältnisses deutlich ankündigen. Ausnahmsweise kann es hierfür auch ausreichen, wenn das Unternehmen wegen des Beschäftigungsendes in einer abschließenden Lohnabrechnung den Urlaubsanspruch auf „null“ festgesetzt hat und damit von früheren Entgeltabrechnungen abweicht, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg in Stuttgart in einem am 8. Oktober veröffentlichten Leitsatz-Urteil.
Nach dem Elterngeldgesetz können Arbeitgeber für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit den Erholungsurlaub um ein Zwölftel kürzen. Eine Urlaubskürzung ist nicht möglich, wenn die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer während der Elternzeit weiter in Teilzeit arbeitet. Hat der Beschäftigte seinen ihm zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nur teilweise erhalten, muss der Arbeitgeber den Resturlaub nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr gewähren.
Im vom LAG entschiedenen Fall ging es um eine Physiotherapeutin, die seit 1. März 2012 mit einer viertägigen Wochenarbeitszeit angestellt war. Seit dem 14. November 2014 erbrachte sie jedoch wegen der Geburt zweier Kinder keine Arbeitsleistung mehr. Grund waren schwangerschaftsbedingte Beschäftigungsverbote, Mutterschutz- und Elternzeiten. Zum 29. Februar 2020 kündigte sie schließlich selbst das bis dato bestehende Arbeitsverhältnis.
Noch am letzten Tag ihrer Beschäftigung hatte sie von ihrem Arbeitgeber eine abschließende Entgeltabrechnung erhalten, in der ihr Urlaubsanspruch mit „null“ ausgewiesen war. In den vorherigen Abrechnungen war ihr Urlaub, der sich unter anderem wegen der Elternzeit angesammelt hatte, noch vollständig aufgeführt.
Die Frau meinte nun, dass der Arbeitgeber ihr wegen des Endes des Arbeitsverhältnisses den nicht genommenen Urlaub vergüten muss. Sie habe in den Jahren 2014 bis 2020 insgesamt 134 Urlaubstage angesammelt. Ihr Arbeitgeber müsse hierfür 16.853 Euro zahlen, so die Forderung. Dass ihr Chef ihren Urlaub wegen der Elternzeiten kürzen will, habe er ihr nicht ausdrücklich erklärt.
Der Arbeitgeber lehnte das ab und verwies darauf, dass er in der letzten Entgeltabrechnung den Urlaubsanspruch mit „Null“ gekennzeichnet habe. Damit habe er ausreichend erklärt, dass er den Urlaub während der Elternzeit kürzen will.
Das LAG gab dem Arbeitgeber überwiegend recht. Er durfte für alle vollen Monate der Elternzeiten den Urlaubsanspruch kürzen, nicht aber für angebrochene Elternzeitmonate, Mutterschutzzeiten oder Zeiten für Beschäftigungsverbote. Der Klägerin verblieben damit 32,08 Urlaubstage, für die sie wegen des Endes des Arbeitsverhältnisses eine Vergütung in Höhe von 4.034 Euro verlangen könne.
Um den Urlaub wegen Elternzeit kürzen zu können, müsse der Arbeitgeber das im laufenden Arbeitsverhältnis vor, während oder nach der Elternzeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers er-klären. Allein den Urlaub in einer Entgeltabrechnung auf „Null“ setzen, reiche regelmäßig nicht aus. Denn in einer Entgeltabrechnung komme lediglich das „Wissen“ des Arbeitgebers über den Urlaub zum Ausdruck, nicht aber sein Willen, dem Arbeitnehmer den Urlaub zu kürzen, so das Gericht.
So hatte auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt am 19. März 2019 geurteilt, dass Angaben in einer Entgeltabrechnung „grundsätzlich keine rechtsgeschäftlichen Erklärungen, sondern lediglich Wissenserklärungen“ darstellen. Auch dürfe der Arbeitgeber nicht vorsorglich schon mal die Urlaubs-kürzung ankündigen, obwohl der Arbeitnehmer noch gar nicht erklärt hat, in Elternzeit gehen zu wollen.
Der Arbeitgeber könne die Urlaubskürzung zudem nur während eines bestehenden Arbeitsverhältnisses erklären, so die obersten Arbeitsrichter in einem weiteren Urteil vom 19. Mai 2015. Nach dem Ende der Beschäftigung sei dies nicht mehr möglich.
Die vom BAG aufgestellten Maßstäbe, dass Urlaubsangaben in einer Entgeltabrechnung nicht den Willen des Arbeitgebers zur Urlaubskürzung darstellen, sind im Streitfall ausnahmsweise aber nicht anzuwenden, so das LAG. Hier habe der Arbeitgeber am letzten Tag des Arbeitsverhältnisses - und damit rechtzeitig - erklärt, dass er den Urlaub während der Elternzeit kürzen wolle.
Zwar sei das nur mit der abschließenden Entgeltabrechnung geschehen, in der der Urlaub mit „null“ gekennzeichnet wurde. Mit der letzten Abrechnung wollte der Arbeitgeber aber auch „erkennbar das Arbeitsverhältnis abschließen“. Dabei sei - anders als in den vorherigen Abrechnungen - erstmals seit Jahren der Urlaub auch der Vorjahre nun auf „null“ gesetzt worden. Damit habe der Arbeitgeber seinen Willen zur Urlaubskürzung ausreichend erklärt, so das Gericht.
Az.: 4 Sa 62/20 (LAG Stuttgart)
Az.: 9 AZR 495/17 (Bundesarbeitsgericht Erklärung in Entgeltabrechnung)
Az.: 9 AZR 725/13 (Bundesarbeitsgericht Urlaubskürzung Beschäftigungsende)