sozial-Recht

Landessozialgericht

Blinde mit Elektrorollstuhl sind "verkehrstauglich"



Celle (epd). Blinde können sich auch mit einem Elektrorollstuhl im Nahbereich ihrer Wohnung fortbewegen. Eine Krankenkasse darf die Kostenübernahme für das Hilfsmittel nicht mit dem Argument verweigern, dass ein blinder Mensch hierfür nicht „verkehrstauglich“ ist, entschied das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen in Celle in einem am 11. Oktober bekanntgegebenen Beschluss.

Damit bekam ein 57-jähriger blinder und an Multipler Sklerose erkrankter Mann aus dem Landkreis Harburg recht. Wegen seiner Gangschwierigkeiten hatte seine Krankenkasse ihn zunächst mit einem speziellen Rollstuhl versorgt. So sollte er sich im Nahbereich seiner Wohnung sich noch fortbewegen können. Als seine Arme den den Rollstuhl kaum mehr bedienen konnten, beantragte er einen Elektrorollstuhl.

Kasse sah keine Verkehrstauglichkeit

Die Krankenkasse lehnte ab. Der blinde Mann sei mit dem Elektrorollstuhl nicht „verkehrstauglich“, befand die Kasse. Es drohten Gefahren für ihn selbst und für andere. Der Kläger entgegnete, dass er durchaus sich mit einem Elektrorollstuhl und einem Langstock fortbewegen könne. Das habe er in einem Fahrtraining geübt.

Das LSG entschied nun, dass die Krankenkasse den knapp 4.000 Euro teuren Elektrorollstuhl bezahlen muss. „Entgegen der rechtsirrigen Auffassung der Beklagten sind Sehbeeinträchtigungen kein genereller Grund, eine Verkehrstauglichkeit bei Elektrorollstühlen abzulehnen“, heißt es im Beschluss. Der Mann habe belegt, dass er mit dem Elektrorollstuhl umgehen und zumindest ihm bekannte Wege gut bewältigen kann. Seine fehlende Sehfähigkeit werde „durch das Langstocktraining ausgeglichen“.

„Es ist die Aufgabe des Hilfsmittelrechtes, dem Behinderten ein möglichst selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen und nicht, ihn von sämtlichen Lebensgefahren fernzuhalten und ihn damit einer weitgehenden Unmündigkeit anheimfallen zu lassen“, betonten die Celler Richter.

Az.: L 16 KR 423/20