sozial-Recht

Landesarbeitsgericht

WhatsApp-Chat mit Ausländerhetze kann Jobverlust begründen




Eine Jugendliche tauscht sich per WhatsApp aus.
epd-bild/Thomas Lohnes
Eine in einem privaten WhatsApp-Chat getätigte ausländerfeindliche Äußerung begründet zwar meist keine Kündigung, das Arbeitsverhältnis kann aber dennoch aufgelöst werden. Ein entsprechendes Urteil fällte das Landesarbeitsgericht Berlin im Fall eines Angestellten eines Flüchtlingsheims.

Berlin (epd). Ein leitender Angestellter eines gemeinnützigen Flüchtlingsheimbetreibers kann nach einer privat geäußerten Ausländerhetze in einem WhatsApp-Chat seinen Job verlieren. Zwar steht die private Kommunikation unter dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts und kann auch bei menschenverachtenden Äußerungen in der Regel noch keine wirksame Kündigung begründen, entschied das Landesarbeitsgericht (LAG) Berlin-Brandenburg in einem am 17. September bekanntgegebenen Urteil. Werde der Chat jedoch in der Presse publik, könne trotz der unwirksamen Kündigung auch gerichtlich das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung aufgelöst werden, urteilten die Berliner Richter.

Hetze gegen Ausländer und Flüchtlingshelfer

Konkret ging es um einen privaten Ausländerhetze-Chat auf WhatsApp. Der Kläger war als technischer Leiter bei einem gemeinnützigen Verein aus dem brandenburgischen Bad Belzig angestellt. Der Verein betreibt unter anderem Flüchtlingsheime. Mitglieder des überwiegend ehrenamtlich unterstützten Vereins sind ein Landkreis, verschiedene Städte und Gemeinden sowie andere Vereine. In dem Chat wurden Flüchtlinge als „menschliche Kakerlaken“, „Parasiten“ und „Schmarotzer“ bezeichnet. Auch über die Helferinnen und Helfer in dem Heim wurde sich herabwürdigend geäußert.

Als ein Chat-Teilnehmer die Presse auf die menschenverachtenden Aussagen aufmerksam machte und diese darüber berichtete, kündigte der Verein dem technischen Leiter. Der erhob Kündigungsschutzklage und verwies darauf, dass der WhatsApp vertraulich gewesen sei. Sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und seine Meinungsfreiheit würden mit der Kündigung missachtet.

Das LAG urteilte, dass die ausgesprochene Kündigung wegen der herabwürdigenden Äußerungen über Geflüchtete und in der Flüchtlingshilfe tätige Menschen tatsächlich unwirksam sei. Allerdings löste das Gericht selbst das Arbeitsverhältnis gegen Zahlung einer Abfindung auf.

Glaubwürdigkeitsproblem des Arbeitgebers

Nach dem Gerichtsurteil fällt die vertrauliche Kommunikation unter den Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Der Kläger habe in sehr kleinem Kreis mit privaten Handys sich im WhatsApp-Chat ausgetauscht, ohne dass dies erkennbar auf eine Weitergabe an Dritte ausgelegt war. Eine fehlende Eignung für die Tätigkeit als technischer Leiter allein auf Grundlage des Chats könne nicht festgestellt werden. Auch besondere Loyalitätspflichten bestünden nicht, da der Kläger keine „unmittelbaren Betreuungsaufgaben“ wahrnehme.

Dennoch sei dem Verein trotz der unwirksamen Kündigung die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zuzumuten. Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses sei gegen eine Zahlung einer Abfindung begründet. Da die menschenverachtenden Äußerungen in der Presse bekannt wurden, könne der Verein bei Weiterbeschäftigung des technischen Leiters nicht mehr glaubwürdig gegenüber geflüchteten Menschen auftreten. Ihm drohten zudem Beeinträchtigungen „bei der Gewinnung ehrenamtlicher Unterstützung und hauptamtlichen Personals“. Die Berliner Richter ließen wegen grundsätzlicher Bedeutung die Revision zum Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt zu.

Dass auch eine Beleidigung über eine private SMS-Kommunikation keine Kündigung begründen kann, hatte das LAG Mainz bereits am 22. Januar 2015 im Fall eines Herzchirurgen entschieden. Dieser hatte an einen anderen Beschäftigten geschrieben, dass sein Chef ein „autistisches krankes Arschl...“ sei. Die Kollegin informierte daraufhin den so gescholtenen Chefarzt. Es folgte die Kündigung, die Autorität des Chefarztes sei „massiv untergraben“ worden.

„Sexuell motiviertes Verhalten“

Doch die vertrauliche SMS-Kommunikation habe unter dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gestanden, urteilte das LAG. Arbeitnehmer dürften regelmäßig darauf vertrauen, dass ihre Äußerungen nicht nach außen getragen „und der Betriebsfrieden beziehungsweise das Vertrauensverhältnis nicht zerstört“ werde. Hebe der Gesprächspartner die Vertraulichkeit später auf, „geht dies rechtlich nicht zulasten des Arbeitnehmers“, urteilten die Mainzer Richter.

Anders sieht dies jedoch aus, wenn ein Erzieher sich mit einer Schülerin über einen längeren Zeitraum per WhatsApp sexuell anzüglich über ihre knappe Bekleidung austauscht. Dies begründet regelmäßig die fristlose Kündigung, entschied das LAG Mainz in einem weiteren Urteil vom 12. Mai 2017. Denn Lehrkräfte müssten jeglichen Anschein „sexuell motivierten Verhaltens“ gegenüber den anvertrauten Kindern vermeiden.

Hier hatte ein Heimerzieher eines Gymnasiums mit einer 16-jährige Schülerin Nachrichten und Fotos über WhatsApp ausgetauscht. Dabei fragte er zur Bekleidung, ob sie ein „Lederoutfit“ „mit was drunter“ trage. String, Strapse und Strümpfe solle sie mal ausprobieren. Damit habe der Erzieher das Obhuts- und Abhängigkeitsverhältnis gegenüber der Schülerin ausgenutzt, rügte das LAG.

Az.: 21 Sa 1291/20 (LAG Berlin)

Az.: 3 Sa 571/14 (LAG Mainz, Klinikarzt)

Az.: 1 Sa 521/16 (LAG Mainz, Erzieher)

Frank Leth