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Innere Mission: Auf Nähe ausgerichtete Arbeit hat sich nicht verändert




Thorsten Nolting
epd-bild/Erol Gurian/Diakonie München/Oberbayern
Thorsten Nolting, Vorstand der Inneren Mission München, sieht durchaus Veränderungen in der sozialen Arbeit durch die Folgen der Pandemie. Man habe versucht, die Beratung und Betreuung trotz aller Hürden irgendwie aufrecht zu erhalten, notfalls online. Daraus folgt für ihn die Erkenntnis, dass "wir in Zukunft diese Kanäle viel stärker nutzen werden".

Zugleich betont Thorsten Nolting, dass sich viele Tätigkeiten des Trägers wie die Pflege oder die Kinderbetreuung auch durch Corona nicht grundlegend verändert hätten: „Das gilt ebenso für alle anderen Felder der auf Nähe und Beziehung basierenden Arbeit.“ Die Fragen stellte Dirk Baas.

epd sozial: Durch die Pandemie kamen auch viele Angebote der Sozialträger zum Erliegen oder wurden stark eingeschränkt. Hat das Virus Ihre Arbeit auch für die Zukunft grundlegend verändert?

Thorsten Nolting: Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass wir unsere Angebote, die ja passgenau auf die Bedarfe der Menschen zugeschnitten sind, auch in der Krise aufrecht erhalten haben. Teilweise konnten wir Beratungsangebote nur online weiterführen, Obdachlosen-Tagesstätten nur für wenige Menschen öffnen und in Pflegeheimen dafür sorgen, dass der Kontakt zu den Angehörigen über Telefon oder durch Facetime garantiert wird.

Aber, und diese Erkenntnis ist neu: Die Pandemie hat das Raumgefühl erheblich verändert, so dass die teilweise überfüllten Einrichtungen etwa mit Angeboten für sehr viele Menschen im Tagesaufenthalt oder beim Ausgeben von günstigem Essen auf den Prüfstand müssen. Wir müssen auch für die Zukunft klären, ob wir hier weniger beengt arbeiten können.

Die Online-Beratungsangebote und die Kontaktaufnahme durch Messengerdienste haben erheblich zugenommen, und es ist klar, dass wir in Zukunft diese Kanäle viel stärker nutzen werden, um in Kontakt zu Jugendlichen, jungen Familien und anderen Ratsuchenden zu kommen und zu bleiben. Grundlegend verändert hat sich aber weder die Arbeit in der Pflege und im Kindertagesstättenbereich. Das gilt ebenso für alle anderen Felder der auf Nähe und Beziehung basierenden Arbeit.

epd: Klienten können wieder betreut, begleitet und beraten werden. Doch sind finanzielle Löcher entstanden, die sich meist nicht schließen lassen. Wie ist Ihre heutige wirtschaftliche Situation?

Nolting: Es war sehr wichtig, dass es staatliche Corona-Hilfen gab, die Leerstände kompensiert haben , wenn auch nicht im vollen Umfang. Schwieriger ist es bei Segmenten Kaufhäuser, wo die Mieten weiter laufen, die Mitarbeiter in Kurzarbeit waren und erhebliche Ausfälle zu verkraften sind. Wirtschaftliche Verluste gab es auch im Bereich der Frühförderung und der Werkstätten für Menschen mit Behinderung. Und verlangsamte Zuweisungen in der Jugendhilfe und der Sozialpsychiatrie waren auch von Nachteil. Sehr gut für die Träger in München und Oberbayern ist aber, dass es hier öffentliche Stellen gibt, die die soziale Infrastruktur erhalten wollen.

Die nachhaltige Gestaltung unsere finanziellen Situation in den vergangenen Jahren gibt uns die Luft, unsere Angebote weiterhin fortzuführen, auch innovativ bei der Suche nach passenden Angeboten für die Menschen zu bleiben. Was uns jedoch große Sorgen macht, ist die Situation der Kommunen. Sie brauchen dringend Unterstützung vom Bund, um nicht in finanzielle Schieflagen zu kommen, was unweigerlich zu Kürzungen im Sozialen führen würde. Daher freuen wir uns über die Absicht der Bayerischen Staatsregierung, erneut mit einem „wuchtigen“ Finanzausgleich gegenläufig zur Krise die Gemeinden, Städte und Kreise zu stärken.

epd: Viele Sozialträger richten sich neu aus, etwa bei der Digitalisierung. Welche Wünsche oder Forderungen haben Sie an die Politik, wenn es darum geht, auch in Zukunft krisensicher arbeiten zu können?

Nolting: Hier sehe ich zunächst einmal die Träger und Verbände selbst in der Pflicht, die notwendigen Modernisierungsschritte zu machen und die vorhandenen Geldmittel zu nutzen, um in die Zukunft zu investieren. Die Politik sollte diesen Prozess aber dadurch unterstützen, dass etwa nicht verwendete Mittel für solche Weiterentwicklungen zur Verfügung bleiben und nicht, wie derzeit oft zu erleben, zurückgefordert werden.