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Corona

Der lange Weg zurück ins alte Leben




Viele Long-Covid-Patienten haben einen Klinikaufenthalt mit Beatmung hinter sich.
epd-bild/Heike Lyding
Bei nicht wenigen Infizierten löst eine akute Corona-Infektion Todesängste aus - die Atemnot, das Fieber, der Geschmacksverlust. Rund ein Zehntel der Erkrankten hat Langzeitfolgen, Post-Covid oder Long-Covid genannt. Zwei Betroffene berichten.

München (epd). Tina Tschage lacht. „Ich war ganz vorne mit dabei“, sagt sie. Galgenhumor nennt man das. Es war Anfang März 2020, viele hatten schon etwas von diesem neuen Coronavirus gehört - aber noch schien alles weit weg. Bis die Mitbewohnerin der heute 39-Jährigen krank wurde. Husten, Fieber, Atemnot, typische Corona-Symptome. Tagelang warteten sie auf einen Test und dann auf das Ergebnis. In der Zwischenzeit steckte sich Tschage an: „Ich hatte noch nie so eine Krankheit.“

Als „begeisternde Lebensliebhaberin“ bezeichnet sich Tina Tschage selbst. Die Theologin arbeitet als Coach, sie hält Hochzeits- und Trauerreden, sie ist auf jeden Fall ein positiv denkender Mensch, keiner, der viel jammert. Aber: „So fertig war ich nie zuvor in meinem Leben.“ Überrollt wie von einem Laster, das Luftholen wurde immer schwerer, sie habe „bewusst nachatmen“ müssen. „Erst nach acht, neun Tagen wurde es besser“, sagt sie. Doch gut ist es bis heute nicht. Tschage hat Long-Covid.

Fünf Wochen Quarantäne

Doch bis sie selbst bemerkt, dass nach wie vor etwas nicht ganz stimmt, dauert es. Zunächst müssen ihre Mitbewohnerin und sie fünf Wochen in Quarantäne bleiben. In dieser Zeit war der Geschmacks- und Geruchssinn komplett weg: „Ich hatte nur noch Konsistenz im Mund.“ Nach einigen Wochen kehren Geschmacks- und Geruchssinn zurück - doch das ist nur bedingt schön. „Vieles riecht seither nur noch eklig“, ihr Parfüm, das sie jahrelang gern verwendet hat, kann sie nicht mehr ausstehen.

Tschage ist mit diesen Corona-Langzeitfolgen nicht alleine. Experten schätzen, dass rund zehn Prozent der Infizierten Long-Covid oder Post-Covid entwickeln. „Das entspricht in Bayern aktuell rund 65.000 möglichen Fällen“, sagt ein Sprecher des Gesundheitsministeriums: „Die Dunkelziffer könnte noch höher liegen.“ Belastbare Daten gibt es bislang nicht. Und keine einheitliche klinische Definition. Unter den Begriffen werden daher alle möglichen Corona-Folgen zusammengefasst.

Inzwischen gibt es unter anderem an den bayerischen Universitätskliniken in München, Erlangen-Nürnberg, Würzburg, Regensburg und Augsburg Post-Covid-Ambulanzen. Die Regierung investiert fünf Millionen Euro, um die Versorgung von betroffenen Patienten zu verbessern.

Vermutlich im Impfzentrum angesteckt

Julian Reischl aus Augsburg erkrankte mehr als ein Jahr später an Corona. Ende April hatte er die ersten Symptome, Anfang Mai seinen positiven Test. „Infiziert habe ich mich aller Wahrscheinlichkeit nach im Impfzentrum - bei meiner ersten Impfung. Ansonsten war ich nicht unter Leuten“, erzählt der 48-Jährige. Appetitlosigkeit, Atemnot und Husten hatte er neben den klassischen Grippe-Symptomen. Der trockene Reizhusten blieb auch über die 14 Tage Quarantäne hinaus: „Als anerkannte Covid-Folge“, sagte seine Hausärztin zu ihm. Inzwischen ist alles ausgestanden.

„Ich habe einen Inhalator mit Cortison-Pulver bekommen“, sagt er. Sechs Wochen musste er das „morgens und abends in die Lunge saugen“. Das habe auch gut geholfen. Außerdem sei er Reizhusten-erprobt, berichtet Reischl. Wegen eines falschen Blutdruckmittels habe er sich 15 Jahre mit Husten herumgeschlagen, ohne die Ursache zu finden.

Selbsthilfegruppe gegründet

Tschage hat wenig konkrete Hilfe an ihrem Wohnort München erfahren. Irgendwann aber fand sie im Internet weitere Betroffene und Informationen der Median Klinikgruppe, die sich schnell auch auf Long-Covid eingestellt hatte. Vor ein paar Wochen war sie bei der Gründung einer Selbsthilfegruppe für Long-Covid dabei. „Den meisten tut es gut zu hören, dass sie mit ihren Beschwerden nicht alleine sind - und sich das nicht nur einbilden.“

Dabei hatten Reischl und Tschage mit ihren Symptomen noch Glück. Auch wenn Tina Tschage bis heute nur eingeschränkt schmecken und riechen kann und deshalb nun ein spezielles Riechtraining begonnen hat. „Es gibt ja Menschen, die haben einen Tinnitus, Dauer-Schwindel, Erschöpfungszustände und anderes mehr als Langzeitfolgen - da bin ich gut weggekommen“, sagt sie. Nach ihren Erfahrungen mir Covid-19 versteht sie nicht, weshalb die Virusinfektion nach wie vor von einigen kleingeredet wird.

Auch Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) spricht von „teilweise gravierenden Beschwerden“ über die akute Erkrankung hinaus, die man bei Long-Covid beobachte. Betroffene benötigten häufig eine „multidisziplinäre Versorgung“ durch mehrere Fachärzte für ihre verschiedenartigen Beschwerden.

Von Daniel Staffen-Quandt