sozial-Politik

Corona

Piks vor der Haustür




Impf-Drive-In in Berlin
epd-bild/Frank Senftleben
Impfstoff gegen das Coronavirus gibt es in Deutschland mittlerweile mehr als genug. Trotzdem ist die Impfkampagne in jüngster Zeit ins Stocken geraten. Nun seien kreative Ideen gefragt, sagen Experten - etwa mit dem Einsatz mobiler Impfstraßen.

Bremen (epd). „Impfen gegen Corona“ steht in riesigen Buchstaben auf dem Sattelschlepper, den das Deutsche Rote Kreuz auf dem Parkplatz eines großen Einkaufszentrums im Bremer Stadtteil Blockdiek bereitgestellt hat. Mehr als 80 Menschen stehen geduldig in einer Schlange und warten auf den Piks, der sie schützen soll. In Zusammenarbeit mit dem DRK hat Bremen schon früh begonnen, ein Impfmobil auf Tour zu schicken. Mittlerweile folgen immer mehr Städte und Kreise dem Beispiel der Hansestadt.

Vielerorts registrieren Impfzentren ein sinkendes Interesse an Terminen für die Schutzimpfung. Auch der Deutsche Hausärzteverband spricht von einer spürbar nachlassenden Impfbereitschaft - und das trotz der deutlich ansteckenderen Delta-Variante. „Aus meiner Sicht ist jetzt Kreativität gefragt“, sagt der Bremer Epidemiologe Hajo Zeeb und betont: „Die Impfungen müssen nun verstärkt dort angeboten werden, wo die Menschen sind und leben, um alle zu erreichen, auch gerade die, die aus diversen Gründen jetzt noch nicht zum Impfzentrum oder in eine ärztliche Praxis gehen konnten.“

Rollende Impfpraxen sind sehr flexibel

Für den Experten des Bremer Leibniz-Instituts für Präventionsforschung und Epidemiologie können rollende Praxen im weiteren Verlauf der Impfkampagne eine wichtige Funktion übernehmen. Das gelte besonders mit mehrsprachigem Personal und flexiblen Angeboten zu Randzeiten. „Wir müssen die Impfungen zu den Menschen bringen“, bringt es der Bremer Pflegewissenschaftler Stefan Görres auf den Punkt.

Darauf hat sich das DRK in Bremen unter anderem mit Dolmetschern und multikulturellen Impfteams eingestellt, um besser auf Fragen eingehen zu können. „Wenn ich mich impfen lasse, lebe ich nur noch zwei Jahre, vielleicht werde ich auch unfruchtbar“, schildert DRK-Sprecher Lübbo Roewer Vorbehalte, die immer wieder laut werden. Um ihnen mit verständlichen Informationen begegnen zu können, seien muttersprachliche Informationen wichtig. Dazu komme ein Vertrauensvorschuss, der vor allem unter Menschen mit ausländischen Wurzeln dem Roten Kreuz als unabhängiger Hilfsorganisation entgegengebracht werde.

Sozial gerechter Kampf gegen die Pandemie

„Mit der mobilen Impfstraße sind wir noch näher an den Menschen - wir impfen quasi vor ihrer Haustür“, erklärt der Betriebsleiter des DRK-Impfmobils, Herwig Renkwitz. Und Bremens Gesundheitssenatorin Claudia Bernhard (Linke) ergänzt: „Durch die niedrigschwelligen Angebote schaffen wir eine sozial gerechte Pandemie-Bekämpfung und ermöglichen tatsächlich allen Bremerinnen und Bremern Impfungen.“

Besonders Großwohnanlagen in sozial benachteiligten Stadtteilen werden vom Impfmobil angesteuert. Zuvor stecken Ehrenamtliche Flugblätter in alle Briefkästen und beziehen dabei auch Vereine, Selbsthilfegruppen, Schulen und Kitas ein. „Dass es in der Zeitung steht, ist gut und wichtig“, meint der Kommunikationsexperte Roewer. Das reiche aber nicht: „Wir brauchen Mund-zu-Mund-Propaganda, wir müssen die nachbarschaftlichen Netzwerke anzapfen.“

Lange Listen von Einsatzorten

Vor Einkaufszentren, auf Wochenmärkten und Schulhöfen, am Rande von Open-Air-Festivals und Fußballspielen, neben Fast-Food-Restaurants und Möbelhäusern: Mittlerweile wird die Liste mobiler Impfaktionen in Deutschland immer länger. Für die Impfung müssen dann in der Regel der Personalausweis oder der Reisepass sowie die Krankenkassenkarte und der Impfausweis mitgebracht werden, wenn vorhanden.

Zur Not kann auch ein neues Dokument ausgestellt werden, wie das mehrfach bei einer mobilen Impfaktion der evangelischen Kirche weiter nördlich von Bremen in Bremervörde geschieht. Denn auch in der Kleinstadt mit rund 18.500 Einwohnern wird mittlerweile mitten im Wohnquartier geimpft. „Es muss unkompliziert sein, und die Wege kurz“, betont Sozialpädagogin Almut Schmidt vom diakonischen Stadtteilladen im Viertel. Die Diakonin ist überzeugt: „Um die Impfkampagne voranzubringen, muss Vertrauen aufgebaut werden. Da ist aufsuchende Sozialarbeit gefragt.“

Dieter Sell


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