Berlin (epd). Freiberuflich in Deutschland arbeitende Prostituierte aus anderen EU-Mitgliedstaaten haben Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Sie müssen dem Jobcenter ihre Tätigkeit nicht mit besonderen Belegen - wie etwa Quittungen von den Freiern - nachweisen, entschied das Sozialgericht Berlin in einem dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegenden, unveröffentlichten Beschluss vom 30. Dezember 2020. Die freiberufliche Tätigkeit bestehe auch dann, wenn diese pandemiebedingt vorläufig nicht ausgeübt werden darf.
Vor Gericht war eine Rumänin gezogen, die in Berlin als Prostituierte arbeitet. Als die Sexarbeit wegen der Corona-Pandemie untersagt wurde, stellte die Frau einen Antrag auf Hartz IV.
Ihren Antrag auf Arbeitslosengeld II wies das Jobcenter ab. Sie habe ihre Tätigkeit als Prostituierte nicht ausreichend nachgewiesen - etwa in Form von Quittungen von den Freiern. Als arbeitsuchende Bürgerin eines anderen EU-Mitgliedstaates sei sie von Hartz-IV-Leistungen nach dem Gesetz ausgeschlossen. Die Rumänin wollte das Jobcenter daraufhin per einstweiliger Anordnung zur Zahlung verpflichten.
Der Antrag hatte vor dem Sozialgericht teilweise Erfolg. Zwar sei der Anspruch auf Arbeitslosengeld II für allein zur Arbeitssuche sich in Deutschland aufhaltende EU-Bürger ausgeschlossen. Hier habe die Frau aber nach ihren Ausführungen und ihrer eidesstattlichen Versicherung glaubhaft gemacht, dass sie seit August 2020 selbstständig als Prostituierte arbeitet. Das Jobcenter dürfe als Nachweis auch keine besonderen Belege, wie etwa Quittungen von Freiern, verlangen. Dies sei lebensfremd. Näheres müsse dann im Hauptverfahren geklärt werden.
Soweit die Frau ihre Tätigkeit aus Gründen des Hygieneschutzes im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie nicht ausüben kann, kann das Jobcenter deshalb noch nicht von einer Beendigung ihrer Arbeit ausgehen, erklärte das Sozialgericht. Sie sei weiterhin als Selbstständige anzusehen. Zumindest bis Ende April 2021 bestehe der Anordnungsanspruch.
Az.: S 138 AS 7816/20 ER