sozial-Politik

Wohnen

Experte: Die Miete wird vom Mund abgespart



Nürnberg (epd). Die Mietpreise können Hartz-IV-Bezieher laut Sozialexperten in große Bedrängnis bringen. Denn das Jobcenter übernimmt gemäß dem Gesetz nur „angemessene“ Unterkunftskosten. „Das bedeutet: Hartz-IV-Empfänger müssen vom Existenzminimum oft noch etwas für die Miete abzwacken“, sagte Bernd Eckhardt, Sozialberater im Ökumenischen Arbeitslosenzentrum Nürnberg, dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Viele Hartz-IV-Empfänger schaffen es laut Eckhardt nicht, eine Wohnung zu finden, die sich in den Preisgrenzen des „Angemessenen“ bewegt. Darum zahlen sie von dem Geld, das ohnehin oft kaum zum Leben reicht, auch noch einen Betrag für die Miete. Bundesweit legt Eckhardt zufolge jeder fünfte Hartz-IV-Haushalt bei der Miete drauf.

Im Schnitt würden fast 1.000 Euro pro Jahr an Mietkosten zugezahlt. In Berlin sind es rund 1.600 Euro. „Die Betroffenen sparen sich das vom Mund ab“, sagt Eckhardt.

Durch seine Beratungsarbeit im Arbeitslosenzentrum Nürnberg wisse er: „Das kommt täglich vor.“ Sich rechtlich dagegen zu wehren, dass vom Existenzminimum etwas abgeknapst werden muss, um die Miete zu zahlen, sei sehr schwierig: „Die meisten nehmen es schließlich hin.“

„Wohnen ist ein Menschenrecht“

Eckhardt kritisiert, dass in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union das Recht auf eine Wohnung nicht verankert wurde. „Dabei ist Wohnen ein Menschenrecht“, sagt der kirchliche Sozialberater. Gerade Deutschland hinke bei der Verwirklichung dieses Rechts hinterher.

Wenn alle Bemühungen um eine bezahlbare Wohnung im Sande verlaufen und die Hoffnung schwindet, jemals fündig zu werden, löse das höchst ungute Gefühle aus. Besonders brisant ist für Eckhardt, dass viele Bezieher von Hartz IV gleich mehrfach Ablehnung und Ausgrenzung erfahren: „Sie sind sowohl auf dem Arbeitsmarkt als auch bei der Wohnungssuche benachteiligt.“

Schuld an dieser Situation sei nicht zuletzt, dass der Bestand an Sozialwohnungen zwischen 2007 und 2019 von zwei auf 1,4 Millionen gesunken sei. Die Politiker hätten das Problem des fehlenden bezahlbaren Wohnraum „lange verschleppt oder bewusst ignoriert“, sagt Eckhardt.



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