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Bundesfreiwilligendienst: Feste Größe im Ehrenamtsportfolio




Jugendliche im Bundesfreiwilligendienst für das Reformationsjubiläum 2017
epd-bild/Dieter Sell
Anfangs kritisch beäugt, heute etabliert: Der Bundesfreiwilligendienst (BFD) besteht seit zehn Jahren. Kritik der Sozialverbände an dem "Konkurrenzprodukt" zu FSJ und FÖJ ist kaum noch zu hören, auch weil Freiwillige heute kaum einen Unterschied bei den verschiedenen Formaten der Ehrenamtseinsätze spüren. 400.000 Personen haben den BFD bis heute durchlaufen.

Berlin (epd). Als die damalige Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) den Bundesfreiwilligendienst (BFD) fünf Jahre nach dessen Start als Erfolgsmodell bezeichnete, regte sich kaum noch Widerspruch. Der Dienst hatte sich etabliert, die Startschwierigkeiten waren fast vergessen. Und auch der anfangs massive Widerstand der Sozialverbände gegen das „Konkurrenzprodukt“ zum Freiwilligen oder Ökologischen Sozialen Jahr (FSJ, FÖJ) war pulverisiert. Jetzt besteht der BFD zehn Jahre und hat sich als feste Größe im Ehrenamtsportfolio etabliert.

2011 wurde der Bundesfreiwilligendienst nach dem Aussetzen der Wehrpflicht und des Zivildienstes als Neuheit ins Leben gerufen. Dabei ist er grundsätzlich keine neue Erfindung. Das FSJ und das FÖJ blickten damals bereits auf eine jahrzehntelange zivilgesellschaftliche Tradition zurück, weshalb Reibungen zwischen Politik und Trägern unvermeidlich waren.

Politik wollte behördliche Strukturen erhalten

Ein anderer Weg wäre der Ausbau der bewährten Jugendfreiwilligendienste gewesen. Politischer Wille der damaligen Bundesregierung war aber der Erhalt der behördlichen Strukturen hinter dem Zivildienst, vor allem im Bereich der vorgeschriebenen Kursangebote zur politischen Bildung. Das bedeute für die ausführenden Organisationen einen nicht unerheblichen Mehraufwand, wie immer wieder zu hören ist.

„Die Einführung dieses weiteren Dienstformates neben den etablierten Freiwilligendiensten warf von Beginn an bürokratische Hürden und Fragen der politischen Bildung auf, die die Umsetzung bis heute erschweren“, bilanziert Martin Schulze, Geschäftsführer der Evangelische Freiwilligendienste gGmbH, gegenüber dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Schon im Gesetzgebungsverfahren zur Einführung habe die Evangelische Trägergruppe deutliche Schwächen des BFD gegenüber den Jugendfreiwilligendiensten identifiziert: „So hat der BFD die Verwaltungslogik des Zivildienstes übernommen und ist nach wie vor deutlich bürokratischer aufgebaut. Das ist ein Hindernis in der kurzfristigen Vermittlung von Freiwilligen an Einsatzstellen“, urteilt Schulze. Er betont aber auch, dass die Dienste heute weitestgehend identisch angeboten würden, so dass das Dienstformat für die Freiwilligen keinen Unterschied mache.

Mit mehr Geld könnte der Ausbau der Dienste gelingen

Von der großen Dynamik des BFD nach dem Start sind die Verbände positiv überrascht. Schnell können die zur Verfügung stehenden Plätze besetzt werden. Oft, und dieses Problem besteht bis heute, gibt es deutlich mehr Interessentinnen und Interessenten als verfügbare Plätze - auch weil der Bund nicht mehr mehr Gelder für den Ausbau des BFD bereitstellt.

Der freiwillige Einsatz kommt gut an - auch in Zeiten der Pandemie: Bei der Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe (RWL) sind 20 Prozent mehr Jugendliche in FSJ und BFD als vor der Krise, berichtete der Verband im Juli 2020. Corona habe das Interesse junger Menschen an sozialen Berufen gestärkt. Vorstand Thomas Oelker: „Gerade in den unsicheren Zeiten der Pandemie nutzen mehr junge Leute unseren Freiwilligendienst, um sich in den sozialen Berufen auszuprobieren, weil sie sich für eine Ausbildung oder ein Studium in diesem Bereich interessieren.“ Weitere Gründen könnten sein, dass die stärkere gesellschaftliche Wertschätzung für die Pflege oder Kindertagesbetreuung Interessentinnen und Interessenten anlockt, ebenso aber auch die schwierige Situation auf dem Ausbildungsmarkt.

„In der Gesellschaft angekommen“

„Der Bundesfreiwilligendienst ist entgegen einiger skeptischer Stimmen, die es in der Anfangszeit auch gab, sehr schnell in der Gesellschaft angekommen und zu einer wichtigen Säule im Gefüge der Freiwilligendienste geworden“, sagt Antje Mäder, Pressesprecherin des für den BFD zuständigen Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben in Köln. In den vergangenen zehn Jahren haben nach ihren Angaben rund 400.000 Personen einen Bundesfreiwilligendienst absolviert, im Jahresdurchschnitt also um die 40.000. Egal, wo sie eingesetzt würden, junge Menschen könnten praktische Erfahrungen und Kenntnisse sammeln und erhalten erste Einblicke in die Berufswelt.

Das bestätigen Teilnehmer des BFD, deren positive Stimmen sich zuhauf im Internet finden. „Ich empfehle eigentlich jedem, der nach der Schule sich nicht zu 100 Prozent sicher ist, wo es hingehen soll, einen Freiwilligendienst zu machen. Man lernt in diesem Jahr mehr, als man glaubt“, sagt Lukas, der seinen Dienst bei der Diakonie an der Evangelischen Schule Frohnau in Brandenburg abgeleistet hat. Hanna, die in einer Krebsberatungsstelle in Osnabrück gearbeitet hat, berichtet, ihr Engagement habe ihr „bei der Persönlichkeitsentwicklung sehr geholfen und ich kann es wirklich jedem empfehlen, der seinen richtigen Weg noch finden muss. Ich möchte diese Zeit nicht missen.“

Mädler bestätigt, dass die Einsatzstellen nicht nur tatkräftige freiwillige Unterstützung erhalten, sondern die Helferinnen und Helfer gleichzeitig auch für soziale Berufe oder ein längerfristiges ehrenamtliches Engagement gewinnen möchten. „Das können wir allerdings nicht zahlenmäßig belegen, da diese Daten nicht erfasst werden.“

Öffnung für Ältere

Eine weitere Stärke des Bundesfreiwilligendienstes sei, dass er - anders als das FSJ, das nur bis zum Alter von 26 Jahren möglich ist - für alle Altersgruppen geöffnet ist. Das sehen auch die Johanniter so: „Eine positive Neuerung, die der BFD mit sich brachte, ist die Öffnung über die Altersgrenze über 27 Jahre hinaus.“ Die Johanniter hätten hier mit neuen Konzepten diese Zielgruppen in die Freiwilligendienste integriert, heißt es auf Anfrage des epd. Der BFD solle dabei speziell für ältere Menschen, zum Beispiel nach einer Familienphase, ein Angebot sein: „Es zeigt sich aber, dass überwiegend Menschen bis zu einem Alter von 27 Jahren das Angebot annehmen.“

Das zeigen auch die offiziellen Daten: Seniorinnen und Senioren sind weiter klar in der Minderheit: Im Mai waren von knapp 37.000 Ehrenamtlern nur rund 630 älter als 65 Jahre. Gut 70 Prozent der Freiwilligen sind unter 27 Jahre alt. Und: Etwa 60 Prozent der Freiwilligen sind weiblich.

Die Caritas nennt den BFD einen Erfolg. Er leiste einen großen Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Denn wer sich auf dieser Weise eingebracht hat, schaut ganz anders auf seine Mitmenschen“, heißt es auf Anfrage. Zugleich gebe es aber auch noch viel Verbesserungspotenzial: Die Attraktivität des Dienstes lasse sich noch steigern, etwa durch die kostenlose Nutzung des ÖPNV, durch einen Anspruch auf Wohngeld oder die Befreiung der Teilnehmer und Teilnehmerinnen von den Rundfunkgebühren. „Auch die Rahmenbedingungen für Freiwillige aus dem Ausland müssten verbessert werden. Und es ist wünschenswert, dass die Zeit im Dienst bei der Bewerbung um ein Studien- oder Ausbildungsplatz besser gewürdigt wird“, so der katholische Wohlfahrtsverband.

Dirk Baas