sozial-Branche

Behinderung

Johannes-Diakonie steht zu ihrer Geschichte




Pfarrer Richard Lallathin an einer Info-Tafel des Maria-Zeitler-Pfades
epd-bild/Susanne Lohse
Als "lebensunwertes Leben" ermordete das Regime im Nationalsozialismus unzählige Menschen mit Behinderung - oft auch unter den Augen der Kirchen. Und es gab schreckliche medizinische Experimente. In Mosbach erinnert jetzt ein Gedenkpfad an diese Grausamkeiten.

Mosbach (epd). Die Johannes-Diakonie in Mosbach übernimmt Verantwortung. Mit dem kürzlich fertiggestellten Maria-Zeitler-Pfad erinnert die Behinderteneinrichtung an die NS-„Euthanasie“. Das Wort, das aus dem Altgriechischen stammt und ursprünglich einen guten, würdigen Tod meint, verwendeten die Nationalsozialisten für gezielte Morde. Der Gedenkpfad für die von den Nationalsozialisten ermordeten Menschen mit geistiger, seelischer oder körperlicher Behinderung sei „ein wichtiger Schritt nach außen“, sagt der Projektleiter Pfarrer Richard Lallathin.

Mit rund 3.000 Mitarbeitenden ist die Johannes-Diakonie in Mosbach mit der Außenstelle in Schwarzach die größte Behinderteneinrichtung in Baden-Württemberg. Aus der damaligen „Erziehungs- und Pflegeanstalt für Geistesschwache Mosbach/Schwarzacher Hof“ wurden vor 80 Jahren 263 Menschen in die Vernichtungslager Grafeneck (1940) und Eichberg/Uspringe (1944) abtransportiert. Insgesamt ermordeten die Nationalsozialisten allein im Zuge der so genannten „T4-Aktion“ - benannt nach der Tiergartenstraße 4 in Berlin, wo sie geplant wurde - rund 70.000 Menschen mit Behinderung.

30 Jahre Forschung über das Unrecht

Bereits in den 1990-er Jahren erforschte der promovierte Historiker Hans-Werner Scheuing die NS-Morde an Mosbacher Heimbewohnern. In seinem Buch „Als Menschenleben gegen Sachwerte gewogen wurden“ (Winter Verlag, Heidelberg) beschreibt er die Geschichte der Erziehungs- und Pflegeanstalt Mosbach/Schwarzacher Hof von 1933 bis 1945. Er recherchierte Namen von Opfern, sammelte Fotos. Das einzige Opfer, das auch in Mosbach geboren wurde, war Maria Zeitler.

Als Kind habe Maria Zeitler vermutlich eine Hirnhautzündung erlitten, erläutert Richard Lallathin den Lebensweg der Mosbacherin. Sie war somit nicht von Geburt an behindert. Im Alter von drei Jahren kam sie in die Heil-und Pflegeanstalt, wo sie bis zu ihrem Tod, einen Tag nach ihrem 29. Geburtstag, lebte.

„Ich bin in Grafeneck aufgewachsen“, sagt Lallathin. Er erinnere sich noch gut an die Erzählungen seiner Eltern und Großeltern, die die grauen Busse, in denen die Todgeweihten antransportiert wurden, kommen und gehen sahen.

Gefälschte Todesurkunden verschickt

Dass Maria Zeitler in Grafeneck umgebracht wurde, verschleierte das NS-Regime. Die Eltern erhielten gefälschte Sterbeurkunden. Bis vor wenigen Jahren kannten Angehörige weder die wahren Todesumstände noch den Ort, wo Maria Zeitler starb. Der Staat selbst hatte seine Bürger gezielt betrogen.

„Sie gibt unserem Gedenken ein Gesicht“, sagte Projektleiter Lallathin mit Blick auf den für rund 300.000 Euro ebenfalls neu gestalteten Maria-Zeitler-Platz vor der Hauptverwaltung der Johannes-Diakonie. Der Erinnerungsort ist die erste von acht Stationen des Maria-Zeitler-Pfades. Der behindertengerechte Weg ist etwa einen Kilometer lang und führt durch das Gelände der Johannes-Diakonie.

Inklusive Lotsen-Tandems mit je einem Lotsen aus den Werkstätten und einem Ehrenamtlichen bieten für den Pfad Führungen an. So zeigt Samantha Endres Besuchern gerne ihren Arbeitsplatz und klärt sie über den Umgang mit „Menschen wie uns“ zwischen 1933 und 1945 auf. Wie sie freut sich auch der für Bauarbeiten zuständige Thomas März, wenn mit dem guten Wetter demnächst wieder Besuchergruppen kommen. „Wir scharren mit den Hufen“, sagt März.

Acht Tafeln machen Geschichte anschaulich

Zielgruppe des pädagogisch-inklusiven Projektes sind vor allem Schüler- und Konfirmandengruppen und Bundesfreiwillige. Auf den acht Tafeln erfahren sie mehr über die Geschichte der NS-„Euthanasie“ unter besonderer Berücksichtigung der Geschehnisse in Mosbach und der Biographie Maria Zeitlers.

Die Auseinandersetzung mit der Geschichte ist harte Kost für 14-Jährige, wenn sie im Konfirmandenunterricht über den Maria-Zeitler-Pfad gehen. Das Gedenken berührt. „Da redet keiner dazwischen. Da wird es still in der Gruppe“, beobachtet Pfarrer Lallathin, der auch als Religionslehrer unterwegs ist.

Susanne Lohse