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Behinderung

Werkstätten-Verband: Entgelt muss finanziell abgesichert sein



Die Grünen kritisieren, dass die Bundesregierung für die Kompensation von Lohnkürzungen in den Behindertenwerkstätten die Ausgleichsgabe nutzt. Das sei eine unsinnige Zweckentfremdung von Geldern, die die Teilhabe Behinderter am Jobmarkt verbessern sollen. Wie die Werkstätten diese Diskussion sehen, verrät Verbandschef Martin Berg im Interview mit epd sozial.

Entscheidend sei, so betont Martin Berg, dass die Entgelte in den Einrichtungen finanziell vom Staat abgesichert werden. Denn die Einbußen der Mitarbeiter seien groß, wie eine Umfrage ergeben habe. Dennoch sagt Berg, auch eine Kompensation durch Steuergelder, wie sie die Grünen fordern, sei möglich gewesen. Die Fragen stellte Jana-Sophie Brüntjen.

epd sozial: Die Grünen haben kritisiert, dass Gelder aus der Ausgleichsabgabe zur Kompensation von Lohneinbußen in Werkstätten fließen. Wie sehen Sie das?

Martin Berg: Die BAG WfbM begrüßt ausdrücklich, dass die Werkstattentgelte auch im zweiten Krisenjahr gesichert sind. Denn eine kürzlich von der BAG WfbM durchgeführte Umfrage unter den Mitgliedern zeigt deutlich, dass Werkstätten für behinderte Menschen nach wie vor von den Auswirkungen der Coronavirus-Krise betroffen sind. Ähnlich wie in zwei vorangegangenen Umfragen gaben auch im Mai 2021 knapp 80 Prozent der Umfrageteilnehmer an, dass das Arbeitsentgelt der Beschäftigten Menschen mit Behinderungen in voller Höhe weiterbezahlt wird. Zwölf Prozent davon gaben jedoch an, dass Kürzungen absehbar seien. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass perspektivisch über 30 Prozent der Beschäftigten in Werkstätten von Entgeltkürzungen betroffen sein werden. Die Option Kurzarbeitergeld für Werkstattbeschäftigte besteht damit nicht. Insofern ist es folgerichtig, die Werkstattentgelte der Beschäftigten in Krisenzeiten über andere Mittel zu sichern.

epd: Hätten Sie, wie zuvor bereits von den Grünen gefordert, eine Kompensation durch Steuergelder sinnvoller gefunden?

Berg: Um die Arbeitsentgelte für die Beschäftigen für die Dauer der Pandemie zu sichern, hat die Bundesregierung im Jahr 2020 und 2021 den Integrationsämtern zusätzliche Mittel aus der Ausgleichsabgabe zur Verfügung gestellt. Die Integrationsämter entscheiden in eigener Verantwortung über die erforderliche Höhe der Leistungen und auch über die Art und den Umfang der erforderlichen Nachweise, die von den Werkstätten zur Begründung ihrer Anträge vorzulegen sind. Diese Regelung soll nun auch im Jahr 2021 fortgeführt werden. Eine kurzfristige Kompensation durch Steuergelder wäre aus Sicht der BAG WfbM ebenso denkbar gewesen. Wichtig ist, dass die Menschen mit Behinderungen nicht auch noch finanziell zu den Verlierern der Krise gehören.

epd: Lässt sich bereits absehen, wie viel Geld nötig sein wird, um die gesunkenen Löhne auszugleichen?

Berg: Nein, das ist nicht nicht möglich. Wie hoch die Ausgleichszahlungen tatsächlich sein werden, hängt unter anderem von der weiteren Entwicklung der Pandemie und der allgemeinen wirtschaftlichen Lage ab.



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Berlin (epd). Corinna Rüffer, Sprecherin für Behindertenpolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, hat die Kompensation von Lohnkürzungen in den Behindertenwerkstätten durch die staatliche Ausgleichsgabe scharf kritisiert. Es sei ein „Unding“, dass die Gelder für diesen Zweck verwendet werden, sagte die Politikerin in Berlin. Durch den Ausgleich fehlten Mittel, die die Teilhabe am allgemeinen Arbeitsmarkt fördern sollen. Stattdessen gingen die Zahlungen an ein System, „das so gut wie nichts dazu beiträgt, dass behinderte Menschen den Übergang auf den allgemeinen Arbeitsmarkt schaffen.“

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