sozial-Branche

Gewaltschutz

Interview

Verband: Halten an Rechtsanspruch auf Platz im Frauenhaus fest




Heike Herold
epd-bild/Falk Weiss/Frauenhauskoordinierung e.V.
Nach langem Vorlauf haben sich Bund, Länder und Kommunen getroffen, um über die Lage der Frauenhäuser in Deutschland zu beraten. Die Träger hatten im Vorfeld die Hoffnung, dass es für Gewaltopfer künftig einen gesetzlich garantierten Anspruch auf einen Platz im Frauenhaus geben wird. Der kommt nun nicht, wie Heike Herold von der Frauenhauskoordinierung im Interview mit epd sozial berichtet. Aber es gebe immerhin erkennbare Fortschritte.

Geschäftsführerin Heike Herold begrüßt das Vorhaben, die Finanzierung der Einrichtungen bundesweit abzusichern. Auch wenn das zunächst nur eine Absichtserklärung ist. Wichtig sei, so Herold, dass die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Platz in einer Schutzeinrichtung weiter erhoben werde. Und der Runde Tisch müsse auch nach der Bundestagswahl weiter zusammenkommen.

epd sozial: Die Arbeit der Frauenhäuser in soll künftig per Bundesgesetz finanziell abgesichert werden. Das hat jüngst der Runde Tisch „Gemeinsam gegen Gewalt an Frauen“, festgelegt, an an dem Bund, Länder und Kommunen-Vertretungen teilgenommen haben. Der ganz große Wurf ist nicht gelungen. Sie hatten mehr erwartet.

Heike Herold: Ja, das stimmt. Aber es ist ein erster wichtiger Schritt in die richtige Richtung gemacht worden. Denn wir müssen endlich zu einer sicheren Finanzierung von Frauenhäusern und Beratungsstellen kommen, und das bundesweit. Unsere Forderung, dass alle drei staatlichen Ebenen Beteiligten an einem Tisch sitzen müssen, ist erfüllt worden, auch wenn das sehr lange gedauert hat.

epd: Aber der erhoffte Rechtsanspruch kommt nun erst einmal nicht, und auch die Finanzierungsfragen sind noch gelöst. Ist das nicht nur eine Absichtserklärung?

Herold: Stimmt. Die Ergebnisse sind noch nicht so weitreichend, wie wir uns das gewünscht hätten. Aber immerhin ist der Dialog über zwei Jahre geführt worden, das ist schon mal gut so. Klar ist aber auch, dass der Rechtsanspruch unbedingt auch kommende Legislaturperiode auf der Tagesordnung bleiben muss. Und man muss auch klar sagen, dass auch in Sachen Finanzierung nichts gesichert ist. Es ist eine Absichtserklärung, dass sich mit einem Bundesgesetz beschäftigt wird, um die Einrichtungen und die Beratungsstellen verlässlicher zu finanzieren. Mehr ist das derzeit nicht. Wir reden hier nur über eine Einigung von Bund, Ländern und Kommunen, dass es eine Regelung geben soll, wie immer die dann auch aussieht.

epd: Also immerhin ein Anfang?

Herold: Ja, aber das ist noch ein langer Prozess. Wenn es seitens der nächsten Regierung, wer immer auch daran beteiligt ist, gelingt, ein solches Gesetz auf den Weg zu bringen, dass wäre das schon ein wichtiges Zeichen, nicht nur des guten Willens, sondern auch wegen der Erkenntnis, dass endlich was geschehen muss in Sachen Gewaltschutz für Frauen. Wir hoffen sehr, dass der Runde Tisch auch unter einer neuen Bundesregierung seine Arbeit fortsetzt, damit weiter an diesem Gesetz gearbeitet wird. Denn das Grundproblem von zu wenigen Frauenhäusern und der unsicheren Finanzierung ist nicht gelöst.

epd: Warum ist der Bund hier eigentlich gefordert? Die Frauenhausfinanzierung ist doch allein Sache der Länder und Kommunen?

Herold: Ja. Aber es gibt eine Besonderheit bei den Frauenhäusern. Sie müssen bundesweit zugänglich sein. So muss etwa eine Frau aus Bayern auch nach Schleswig-Holstein flüchten können. Die Regelungen dazu, vor allem was Abrechnungsfragen angeht, sind äußerst kompliziert. Das sind Dinge, die zum Teil gar nicht funktionieren. Da gibt es häufig Streit, wer die Kosten tragen muss. Und der wird auf dem Rücken der betroffenen Frauen ausgetragen, denen womöglich die Aufnahme verweigert wird. Das geht überhaupt nicht. Wir haben 360 Frauenhäuser und wohl auch 360 Finanzierungsmodelle. Das müsste sich ändern, und das will der Bund ja offenbar auch angehen.

epd: *Wie könnte die Finanzierung dann künftig aussehen?

Herold: Da gibt es bereits Überlegungen. Meines Wissens denkt das Bundesfamilienministerium über eine gesetzliche Regelung in den Sozialgesetzbüchern nach. Denn da hat der Bund die Regelungsbefugnis, wie zum Beispiel beim SGB VIII für die Kinder- und Jugendhilfe. Finanzieren müssen die Einrichtungen aber nach der föderalen Zuständigkeit Länder und Kommunen, aber, weil das ein zustimmungspflichtiges Gesetz ist, werden Länder und Kommunen vom Bund Transferzusagen erwirken. Die Vorgehensweise hat sich schon beim Runden Tisch abgezeichnet. Also wird es wohl zu einer Kostenteilung auf drei Ebenen kommen.

epd: Kommen wir noch mal auf den Rechtsanspruch zurück, der ja nun erst mal nicht kommt. Warum ist der Ihnen so wichtig?

Herold: Das wäre ein sehr starkes Signal, der die Finanzierung als Pflichtaufgabe festschreibt. Deutlich ist schon jetzt, dass gegen diese Verpflichtung in einigen Ländern und kommunalen Spitzenverbänden Vorbehalte gibt. Der Rechtsanspruch bleibt also eine große Hürde. Denn klar ist auch: Wenn es ein Recht auf Aufnahme in einem Frauenhaus gibt, müssten die Kapazitäten deutlich erhöht werden. Zusätzlich bräuchte es eine tragfähige Sozialplanung und Bedarfsermittlung.

epd: Seit Jahren sind die Probleme bei der Finanzierung von Frauenhäusern bekannt, auch, dass es zu wenige Plätze gibt. Warum tut sich die Politik so schwer, hier mal einen großen Schritt nach vorne zu kommen?

Herold: Hier wirkt sicher noch nach, dass das Thema Gewalt gegen Frauen über lange Zeit als ein marginales abgetan wurde, nach dem Motto: Das sind nicht mehr als bedauerliche Einzelfälle. Diese Haltung ist stark verankert. Aus einzelnen Landkreisen ist immer mal wieder zu hören: „…bei uns sind die Menschen vernünftig, hier gibt es keine häusliche Gewalt.“ Da fehlen mir die Worte. Und: Wir sind mit Frauenhäusern und Fachberatungsstellen bei Gewalt gegen Frauen nach über 40 Jahren Arbeit immer noch nicht in der Regelfinanzierung, wie in anderen Feldern der Sozialarbeit längst selbstverständlich, angekommen. Länder und Kommunen haben auch immer die Kosten im Auge. Richtig Schwung kam erst in die Politik mit der Unterzeichnung der Istanbul-Konvention, die 2018 in Deutschland in Kraft trat. Die Mühlen mahlen hier leider sehr langsam.

epd: Kommt denn der Aufbau weitere Plätze zumindest langsam voran. Was sagen die Zahlen aus den letzten Jahren?

Herold: Ja, es gibt diesen Trend. Aber er ist nicht in allen Bundesländern zu sehen. Die Situation ist regional sehr unterschiedlich. Es gibt punktuell Verbesserungen in einigen Bundesländern. Hamburg hat zum Beispiel ein neues Frauenhaus eingerichtet. Aber unter dem Strich gesehen gibt es keinen großen flächendeckenden Ausbau der Frauenhäuser, so dass wir weiter eine Riesenlücke an Plätzen haben. 2012 gab es eine Bestandsaufnahme. Damals waren es bundesweit 6.800 Plätze für Frauen und Kinder. Gebraucht werden aber insgesamt 21.000 gemäß der Empfehlung der Istanbul-Konvention.

epd: Die FDP hat sich gegen einen Rechtsanspruch ausgesprochen. Ihre Begründung: Auch wenn es möglich wäre, würde keine Frau vor Gericht ziehen. Das sei unrealistisch. Wie ist diese Sichtweise einzuschätzen?

Herold: Ich kann das auch nicht erklären, da müsste die FDP befragt werden. Ich sehe es als eine schwierige Argumentation gegen die Erweiterung der Rechte von Frauen auf Schutz und Unterstützung. Es wird sicher nicht der Regelfall sein wird, dass die Frauen selbst ihren Rechtsanspruch vor Gericht ihren Anspruch erstreiten. Schon weil das in akuten Notsituationen die Frauen hoch belastet sind und es schlicht zu lange dauert. Aber die Signalwirkung eines Rechtsanspruchs sollte nicht unterschätzt werden.