Der Gesetzentwurf ist ein wichtiger Schritt hin zu mehr Bildungsgerechtigkeit in Deutschland. Gleichzeitig muss der Gesetzentwurf in einigen Punkten dringend nachgebessert werden. Für einen langfristigen Erfolg sind sowohl mehr Finanzmittel als auch umfangreichere andere Maßnahmen notwendig.
Der Gesetzentwurf sieht einen Betreuungsumfang von acht Stunden an fünf Werktagen vor. Zusätzlich sollen die Kinder auch während der Schulferien betreut werden können. Maximal vier Schulferienwochen müssen die Eltern selbst abdecken.
Bedarf sollte Betreuungsumfang bestimmen
Der Entwurf ist ein guter Schritt in die richtige Richtung. Allerdings fordern wir, dass der Betreuungsumfang sich stärker am Bedarf der Eltern ausrichtet. Die Erfahrung aus unserer Praxis zeigt, dass vor allem in Vollzeit berufstätige Eltern einen deutlich höheren Betreuungsbedarf haben. Besonders für Alleinerziehende bringt ein höherer Betreuungsumfang eine deutliche Entlastung. Aber auch andere Eltern, beispielsweise diejenigen, die im Schichtbetrieb arbeiten wie Pflegekräfte, brauchen ein verlässliches und auf ihren Bedarf zugeschnittenes Betreuungsangebot.
Der DJI Kinderbetreuungsreport 20201 gibt an, dass 17 Prozent aller Eltern von Grundschulkindern Betreuungsbedarfe haben, die bisher nicht gedeckt sind. Wenn wir davon ausgehen, dass diese Eltern nur ein Kind in der Grundschule haben, sind das schon 476.000 Kinder, die keinen oder einen zeitlich nicht ausreichenden Betreuungsplatz haben. Tatsächlich sind es bestimmt mehr. Ein Zustand, der weder für die Eltern und schon gar nicht für die Kinder hinnehmbar ist.
Bildung gelingt, wenn sie gut ist. Eltern erwarten von der Betreuung vor allem - so der DJI Kinderbetreuungsreport 2020 -, dass die Kinder mit gleichaltrigen zusammen sind, die Selbstständigkeit gefördert wird, eine verlässliche Hausaufgabenbetreuung und schulische Unterstützung erfolgt. Und es gibt sogar Kinder, die sich eine Betreuung wünschen.
Schulpädagogische und erziehungspädagogische Einheiten
Bildungsgerechtigkeit herzustellen, bedeutet pädagogisch wertvolle Angebote durch ausgebildete Fachkräfte, um die Kinder tatsächlich zu fördern und nicht nur zu beschäftigen. Deshalb ist es wichtig, dass die außerunterrichtliche Betreuungszeit schulpädagogische und erziehungspädagogische Einheiten enthält.
Die Qualität der Fachkräfte kann sich jedoch nur entfalten und den Kindern zugutekommen, wenn der Betreuungsschlüssel entsprechend angepasst ist. Das heißt, dass in den Betreuungsgruppen möglichst Kinder derselben Jahrgangsstufe betreut werden. In den Randzeiten der Betreuung kann das Angebot altersmäßig gelockert werden.
In einer Studie der Bertelsmann Stiftung zu den Kosten der Ganztagsgrundschule von 2019 gehen die Autoren von einem Betreuungsschlüssel von zehn Kindern pro Vollzeiterzieherin oder -erzieher aus und 20 Kindern pro Vollzeitlehrkraft. Diesem Betreuungsschlüssen schließen wir uns an. Bildung für Kinder muss kostenlos sein, damit jedes Kind die gleichen Chancen hat.
Eine Krux für private Bildungsträger
Aber: Die kostenlose Bildung ist für uns als privater Bildungsträger leider eine Krux. Wir arbeiten daran, dass künftig alle Bildungsangebote kostenlos werden. Dafür bedarf es einer ausreichenden Refinanzierung der Leistungen privater Schulträger. Hier gibt es leider noch eine große Deckungslücke, sodass Schulträger auf Schulgebühren angewiesen sind.
Die bereits genannte Studie der Bertelsmann Stiftung beziffert die Personalkosten für das zusätzliche Ganztagsbetreuungsangebot im Umfang von 8 Stunden am Tag an fünf Werktagen für das Jahr 2025 auf mindestens 5,3 Mrd. Euro für Länder und Kommunen. Der Städtetag, Gemeindetag und Landkreistag in Baden-Württemberg kommen auf Kosten allein für die Kommunen in ganz Deutschland auf mindestens 4,45 Milliarden Euro.
Es ist eine Herausforderung, das Recht auf Ganztagsbetreuung für Grundschulkinder umzusetzen. Denn auch die zusätzlichen Lehr- und Erziehungskräfte müssen ausgebildet und gefunden werden. Eine Herausforderung, die unsere Gesellschaft mittragen sollte. Denn Kinder sind die Zukunft eines Landes. Nur gut ausgebildete Menschen können ein Land weiterentwickeln und so zum Wohlstand aller beitragen. Deshalb ist es so wichtig, dass alle Kinder eine Chance auf die Bildung und Betreuung bekommen, die sie brauchen - unabhängig vom Einkommen der Eltern.
Das Thema Ganztagsbetreuung geht uns alle an. Denn es ist ein Teil im gesellschaftlich so wichtigen Baustein Bildungsgerechtigkeit. Dafür setzen wir uns ein. Dafür brauchen wir jedoch Bund, Länder und Kommunen.