sozial-Recht

Oberverwaltungsgericht

Zweifelhaftes Arztattest darf Masern-Impf-Pflicht nicht aushebeln



Bautzen (epd). Bei klaren Zweifeln an einer ärztlichen Bescheinigung über eine Masern-Impfunfähigkeit von Kindern darf der Kita- oder Hort-Betreiber nachhaken und konkrete Gründe für eine fehlende Impfung verlangen. Dies hat das Sächsische Oberverwaltungsgericht (OVG) in Bautzen in einem aktuell veröffentlichten Beschluss vom 5. Mai entschieden. Ohne entsprechende Nachweise einer Masernimpfunfähigkeit könne die Aufnahme in der Kita verweigert werden.

Im Streitfall ging es um eine 2014 geborene Grundschülerin aus dem Erzgebirge. Nach der Schule wollte sie einen von der Gemeinde angebotenen Hort besuchen. Das Infektionsschutzgesetz verlangt hierfür den Nachweis einer Masernimpfung oder einen Immunitätsnachweis. Alternativ ist auch ein ärztliches Attest möglich, das bei dem Kind eine Impfunfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen bescheinigt.

Recht auf Überprüfung

Solch ein ärztliches Attest hatten die Eltern der Schülerin vorgelegt und meinten, dass der Hortbetreiber nicht das Recht habe, die Bescheinigung zu überprüfen. Dem widersprach jedoch das OVG.

Um das Betreuungsverbot für Kinder ohne Immunitätsnachweis durchzusetzen, seien die Einrichtungen nicht auf eine rein formelle Prüfung beschränkt. Die Bautzener Richter orientierten sich dabei an der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung. Danach habe ein ärztliches Attest zwar einen hohen Beweiswert. Dieser könne jedoch erschüttert werden, etwa wenn ein krankgeschriebener Beschäftigter trotz Vorliegens einer ärztlichen Bescheinigung bei schweren Arbeiten an seinem Eigenheim erwischt werde.

Diese Grundsätze über den Beweiswert seien auf Impfunfähigkeitsbescheinigungen übertragbar. Hier deute das Verhalten der Eltern darauf hin, dass sie die Tochter und auch deren Bruder einfach nicht gegen Masern impfen lassen wollen. Die gesundheitlichen Gründe seien "quasi aus heiterem Himmel angeführt worden. Für den Bruder habe dieselbe Ärztin ebenfalls eine Impfunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt, damit dieser eine Kita ungeimpft besuchen könne.

Die Mutter hatte als medizinischen Grund angegeben, dass ihr Sohn schiele und väterlicherseits Krebserkrankungen gehäuft auftreten. Dies spreche jedoch nicht gegen eine Masern-Impfung, so das OVG. Auch sei es unwahrscheinlich, dass bei beiden Kindern gleichzeitig eine Masernimpfunfähigkeit bestehe.

Der Hort-Betreiber habe daher das ärztliche Attest über die Tochter in Zweifel ziehen und ihre Hort-Aufnahme ohne weitere Nachweise einer Impfunfähigkeit ablehnen dürfen.

Az.: 3 B 411/20