Uelzen (epd). „Eine Wohnung zu finden, ist sehr schwierig - in Corona-Zeiten noch schwerer“, bilanziert Volker Jung. Er leitet die Beratungsstelle Wohnen und Leben der Diakonie in Uelzen. Die Zahl der Wohnungslosen sei drastisch gestiegen. Obwohl in der City alte Häuser leerstehen. Obwohl am Stadtrand neue Eigenheime gebaut werden. Die Mieten klettern rasant nach oben. Nicht nur in den Großstädten, auch in den ländlichen Gebieten Niedersachsens.
Uelzen ist eine typische Kleinstadt so wie viele im Land. Die 34.000-Einwohner-Kommune ist weit entfernt von Schickimicki. Keine Universität, weder quirliges Kulturleben noch Ausgehmeile. Ein entspanntes Umfeld für den Wohnungsmarkt, könnte man meinen. Doch die Mieten sind innerhalb von zehn Jahren um mehr als 30 Prozent gestiegen.
Seit 2015 schrumpft auch die Anzahl der inserierten Angebote - bis 2019 um über 40 Prozent, wie aus der aktuellen Statistik der NBank hervorgeht. Landesweit kletterten danach die Angebotsmieten zwischen 2009 und 2017 um rund 30 Prozent auf sieben Euro im Mittelwert.
Mit 6,17 Euro kalt pro Quadratmeter war Uelzen 2019 zwar günstiger als Hannover. Für Menschen mit geringem Einkommen aber oft noch zu teuer. „Was fehlt, sind Wohnungen bis 50 Quadratmeter für eine Person“, beobachtet Sozialpädagoge Jung. Seine Klientel sind vor allem Singles ohne Wohnung. Für sie empfangen Jung und seine sechs Mitarbeiter die Post, damit sie weiterhin erreichbar bleiben. Aktuell zählt Jung 59 Menschen, die in seinem Büro ihre Briefe abholen. „Sonst waren es um die 40“, vergleicht er. „Seit der Coronapandemie hat das erheblich zugenommen.“ Wohnungsbesichtigungen seien seltener geworden.
Es sei eher noch möglich, große Wohnungen zu finden, meint Jung. 80 Quadratmeter, 100 Quadratmeter und mehr. Aber zu teuer für Menschen mit wenig Geld. Die Mietobergrenze bei Hartz IV liege bei 419 Euro mit Betriebskosten. Ältere Wohnungen seien oft schlecht isoliert, zu teuer beim Heizen. „Da kann es Schwierigkeiten geben, wenn das Jobcenter die Kosten nicht übernimmt.“ Ein Grund vielleicht, weshalb sich der Leerstand in der City häuft.
„Ein Leerstandsproblem ist aktuell nicht erkennbar“, widerspricht Ute Krüger, die Pressesprecherin der Stadt Uelzen. Doch im Zentrum ist er kaum noch zu übersehen. Schmucke Fachwerkhäuser, sanierungsbedürftige Altbauten. Aber ohne Balkon, niedrige Decken, kein Blick ins Grüne.
Am Stadtrand entstehen dagegen neue Eigenheime. So wurden in den letzten zehn Jahren bis 2019 allein in Uelzen 212 Wohneinheiten im Eigenheimformat errichtet, aber nur 40 in Mehrfamilienhäusern. Selbst im Landesdurchschnitt übertrifft der Bau von Ein- und Zweifamilienhäusern laut NBank den Geschosswohnungsbau um fast 50 Prozent.
Als „Donut-Effekt“ werden mitunter die Folgen bezeichnet. Die Zentren verlieren Bewohner und veröden, während der Neubau am Stadtrand immer weiter in die Landschaft vordringt. Aber es geht auch anders. Das zeigen die kommunalen Förderprogramme „Jung kauft Alt“. Das Landesbauministerium verweist auf die Beispiele Elze, Wolfenbüttel und den Landkreis Rotenburg. Das Prinzip: Familien, die einen Altbau erwerben anstatt auf der grünen Wiese neu zu bauen, werden finanziell gefördert. Dem Flächenverbrauch will die Regierung damit entgegenwirken und die Zentren neu beleben.
Ein Ansatz, der offenbar funktioniert und Nachahmer findet. Viele Landkreise in mehreren Bundesländern bieten auf diesem Wege finanzielle Hilfen an, die oft auch gekoppelt sind an die Kinderzahl der Antragsteller. Vorreiter war die Gemeinde Hiddenhausen im Kreis Herford. Familien, die einen Altbau in der Dorfmitte kaufen, erhalten Zuschüsse für die Sanierung von bis zu 9.000 Euro. Zusätzlich gibt es einen Bonus für jedes Kind. Die Gemeinde Hiddenhausen im Kreis Herford ist Vorreiter für das Programm. Schon wenige Jahre nach dem Start das Projektes 2007 gab es hier wieder mehr Zu- als Wegzüge - und vor allem mehr junge Leute.