Bühl (epd). Die Gründung von Genossenschaften liegt vor allem bei sozialen Projekten im Trend. So ermöglichen etwa Familien- oder Seniorengenossenschaften eine bessere Vereinbarung von Familie und Beruf oder altersgerechte Wohnformen in vertrauter Umgebung, schreibt der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband auf seiner Homepage.
Dabei sind Genossenschaften im Kern auf wirtschaftliche Zusammenarbeit angelegt. Genossenschaft sei das sichtbare Ergebnis gemeinsamen Wirtschaftens, sagte der Berater für Genossenschaftsgründungen Thomas Hann. Anders als bei anderen Rechtsformen stehen Genossenschaften laut Hann für Werte, Solidarität und basisdemokratische Strukturen.
Die meisten Bürgergenossenschaften verfolgen ein konkretes Ziel: Wohnen im Alter, Kinderbetreuung oder Energie, wie etwa die „Solar-Bürger-Genossenschaft“ in Freiburg. Mehrere Bereiche - Mobilität, Entwicklung des ländlichen Raumes, Wohnen im Alter - deckt das Netzwerk „K-Punkt Ländliche Entwicklung“ der katholischen Diözese Stuttgart-Rottenburg ab.
Hann sieht gute Chancen für Bürgergenossenschaften vor allem für kleinere Orte. In Städten müssten sich Genossenschaften dagegen auf ein einzelnes Quartier konzentrieren. Der Betriebswirt forscht für die Evangelische Hochschule in Freiburg im Rahmen des Pilotprojektes Kommunale Daseinsvorsorge durch Bürgergenossenschaften zu „Sozialer Nachbarschaft und Technik“.
Er berät auch die Gemeinde Bühl-Eisental bei ihrem Dorfentwicklungsprozess. Die Gemeinde will als eine der landesweit ersten eine „Multifunktionsgenossenschaft“ gründen. Dazu soll es in den kommenden zwei Monaten einen Bürgerdialog geben, sagte Ortsvorsteher Jürgen Lauten dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Wenn Bürger sich organisieren können, kann man viel erreichen“, ist er überzeugt.
Es werde zunehmend schwieriger das soziale Leben am Ort aufrecht zu erhalten, sagt Lauten. Die Gesellschaft ändere sich, Berufstätige seien heute mehr eingespannt als früher. In der Bürgergenossenschaft könnten die 2.100 Einwohner der mittelbadischen Gemeinde ihre Zukunft im Dorf mitgestalten.
Anders als die meisten Bürgergenossenschaften, die nur ein Themenfeld haben, sollen in Bühl-Eisental gleich mehrere Bereiche abgedeckt werden. Als Beispiele nennt der Ortsvorsteher etwa Konzepte für die Einrichtung von Solaranlagen mit eigenem Stromtarif, die Pflege der Kulturlandschaft in dem Weinanbaugebiet und die Nachbarschaftshilfe.
Dabei sieht er mehrere Vorteile: So könnten nicht nur Verwaltungskosten gespart werden. Zudem gebe es auch weniger Konflikte unter den Mitgliedern. Statt sich etwa zwischen Kindertagesstätten oder einer Solaranlage entscheiden zu müssen, ließen sich verschiedene Projekte gleichermaßen umsetzen, ist Lauten überzeugt.