Essen (epd). Mit ihrer Stimme, die mühelos über drei Oktaven reichte, konnte sie jeden Popsong zu großer Kunst erheben. Whitney Houston hatte mehr Nummer-Eins-Hits in Folge als die Beatles. Mit mehr als 220 Millionen verkauften Tonträgern und sechs Grammys ist sie die bislang erfolgreichste Sängerin. Ihren größten Hit „I Will Always Love You“ sang sie für den Film „Bodyguard“, bei dem sie an der Seite von Kevin Costner auch als Schauspielerin vor der Kamera stand. Ihre späteren Jahre wurden von Krisen und Sucht überschattet, sie starb 2012 mit nur 48 Jahren. Am 9. August wäre sie 60 Jahre alt geworden.

„Whitney Houston war ein Stimmwunder erster Güte. Es ist unfassbar, was sie konnte“, sagt der Rektor der Essener Folkwang-Universität der Künste, Andreas Jacob, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Als an seiner Uni die ersten Musical-Jahrgänge begonnen hätten, hätten viele versucht, die Pop-Balladen Houstons zu singen. „Das ist aber extrem schwer - die meisten sind daran gescheitert.“

Showbiz-Diva der 90er

In den 90er-Jahren sang sie vor ausverkauften Stadien, galt als Showbiz-Diva. Wie der Erfolg sie verändert habe, wollte eine Fernseh-Interviewerin im Jahr 1996 wissen. „Nicht der Erfolg verändert einen“, antwortet eine Whitney Houston, die nach den richtigen Worten sucht. „Das Berühmtsein verändert einen.“ Dann bricht Verzweiflung aus ihr nur so heraus: „Die Leute schreien deinen Namen, und du kennst keinen von ihnen.“ Alle hätten die total falsche Vorstellung, „dass man als Berühmtheit ein perfektes Leben führt, in dem es nie schlecht läuft“. Aber Geld mache nicht glücklich, und auch Ruhm mache nicht glücklich.

Die Künstlerin aus Newark im US-Bundesstaat New Jersey wurde in eine äußerst musikalische Familie hineingeboren. Ihre Cousine war die Pop-Ikone Dionne Warwick, ihre Patentante Aretha Franklin. Die Mutter Cissy Houston begleitete als Backgroundsängerin Elvis, Aretha Franklin, Jimi Hendrix oder Dusty Springfield.

Ihre ersten musikalischen Erfahrungen sammelte Houston in der Kirche: „Gott hat mir diese Gabe verliehen“, sagte sie einmal. Ihre Gesangsausbildung habe sie im Gospelchor in der Kirche absolviert: „Denn dort habe ich gelernt, Inspiration und ganz viel Gefühl in die Stimme zu legen.“

„Ihre Stimme übertraf alles, was ich je gehört habe“, erinnerte sich der Hit-Produzent und Arista-Chef Clive Davis, der die junge Sängerin unter Vertrag nahm. Seine Strategie war es, eine Pop-Ikone schaffen, die nicht nur in den Charts der schwarzen Musik Erfolg hat, sondern auch im weißen Amerika akzeptiert wird. Das Konzept ging auf: Höhepunkt ihrer Karriere war der Auftritt beim „Super Bowl“ 1991. Als die schwarze Sängerin die Nationalhymne „The Star Spangled Banner“ sang, löste sie Begeisterungsstürme aus.

„Ich weiß, wie es sich anfühlt, schwarz zu sein“

Vertreter der schwarzen Emanzipationsbewegung warfen ihr hingegen vor, dass sie sich mit ihrer Musik der weißen Gesellschaft angepasst habe. Bei der Preisverleihung der Musiksendung „Soultrain“ wurde sie von einem schwarzen Publikum ausgebuht.

„Manchmal war ich ihnen nicht schwarz genug oder nicht R&B (Rhythm and Blues) genug“, wird Houston in der Doku „Can I Be Me“ zitiert. Sie sei zu poppig gewesen. „Das weiße Publikum hatte mich von ihnen entfremdet.“ Sie betonte aber auch: „Ich weiß, wie es sich anfühlt, schwarz zu sein.“

Houston habe sich bewusst zwischen den damals strikt getrennten Bereichen von schwarzer und weißer Musik positioniert, erklärt Folkwang-Rektor Jacob. Mit ihrer Kunst habe sie Musikerinnen wie Missy Elliott, Lauryn Hill, Alicia Keys und Céline Dion beeinflusst. Im vergangenen Jahr wurde ihr Leben in dem Biopic „I Wanna Dance with Somebody“ auf die Kinoleinwand gebracht.

Schon früh Kontakt mit Drogen

Die Tragik der großen Sängerin war offenbar, dass sie ihr Leben einem glatten Mainstream-Image untergeordnet hatte, das ihr überhaupt nicht entsprach. In den Schwarzenvierteln von New Jersey aufgewachsen, war sie wohl schon früh in Kontakt mit Drogen gekommen. Mit ihrer langjährigen Freundin Robyn Crawford soll sie zeitweise in einer Beziehung gelebt haben, die sie aber in der Öffentlichkeit verneinte. In ihrer Ehe mit dem Rapper Bobby Brown, mit dem sie die Tochter Bobbi Kristina (1993-2015) hatte, erlebte sie lange Jahre Untreue, Gewalt und Drogenmissbrauch.

In der Ehe habe sich Houston „in eine unberechenbare, verzweifelte Frau“ verwandelt, „deren Leben völlig aus den Fugen geriet“, schreibt Mark Bego in seiner Biografie. Immer massivere Drogen- und Alkoholprobleme waren die Folge. Im Jahr 2007 ließ sie sich scheiden. Ihrem Vater entzog sie ihr Management, dieser verklagte sie daraufhin auf 100 Millionen Dollar.

2009 gelang Houston mit „I Look to You“ nochmal ein Comeback-Album. Sie hatte einen immer größeren Tross zu versorgen, fast die ganze Familie war bei ihr angestellt. Eine Therapie soll sie abgebrochen haben, weil kein Geld mehr auf dem Konto war.

Am Vorabend der Verleihung der Grammy Awards in Beverly Hill wurde sie am 11. Februar 2012 von ihrer Assistentin leblos in der Badewanne gefunden. Die Gerichtsmediziner stuften ihren Tod durch Ertrinken als Unfall ein, jedoch hätten ein Herzleiden und Kokainmissbrauch dazu beigetragen. Weggefährten wie die Backgroundsängerin Pattie Howard, die in der Doku „Can I Be Me“ zu Wort kommen, sehen jedoch eine tiefere Ursache: „Sie starb an gebrochenem Herzen.“