Der Cheftheologe der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Thies Gundlach, äußert Verständnis für Kirchgänger, die an Predigten mit unmittelbaren Bezügen zur Tagespolitik Anstoß nehmen. "Manchmal reden wir in unseren Predigten vielleicht ein bisschen zu wenig über Gott", sagte Gundlach, der als Vizepräsident die Hauptabteilung II "Kirchliche Handlungsfelder und Bildung" im EKD-Kirchenamt leitet, dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Es ist doch Aufgabe eines Predigers, den Himmel auf Erden zu holen und nicht die Erde sozusagen zu verhimmlischen und politische Positionen mit Noten des Himmels zu versehen", betonte er.

Im Einzelfall sei solche eine Predigtkritik indes nicht fair. "Alle, die auf die Kanzel treten, bemühen sich sicher auf ihre Weise, angemessen von Gott und dem Himmel zu reden. Den allgemein sich verstärkende Eindruck aber, dass Transzendenz in Predigten mitunter einen Tick zu kurz kommt, müssen wir jedenfalls kritisch reflektieren und nicht nur abwehren", sagte Gundlach.

"Zur Versachlichung beitragen"

Er empfiehlt Pastoren genau abzuwägen, ob sie in Zeiten der Verunsicherung politische Bezüge in ihre Predigten einbauen. "Kirche sollte zur Versachlichung überhitzter Auseinandersetzungen beitragen. Wir müssen nicht auch noch von uns aus das Tremolo verstärken", sagte Gundlach. Das schließe nicht aus, Grenzen zu ziehen. "Wo es menschenfeindlich wird, muss Kirche Position beziehen", sagte der Theologe.

Gundlach beschrieb ein "Tremolo der Auseinandersetzung" als Zeitgeistphänom. "Jeder spürt, da finden grundlegende Veränderungen statt, und keiner hat die ganz große Lösung. Das schafft Verunsicherung, und dann wird die Tonlage höher", sagte der Theologe. In dieser Situation werde die Kirche noch einmal besonders in den Blick genommen. "Denn Predigten stehen immer auch unter der Erwartung: Jetzt wird gesagt, wie es geht", sagte Gundlach.