sozial-Politik

Betreuungsrecht

Reform soll Bevormundung beenden



In Deutschland haben rund 1,3 Millionen Menschen einen gesetzlichen Betreuer. Betroffene kritisieren seit Jahren, dass ihre Wünsche und Bedürfnisse dabei häufig übergangen werden. Nun berät der Bundestag über eine Reform des Betreuungsrechts.

Melanie weiß nicht genau, wer den Antrag für ihre gesetzliche Betreuung gestellt hat. "Niemand hat mit mir gesprochen", sagt die 30-Jährige. Nach ihrer Behandlung in einer psychiatrischen Klinik bestellte ein Gericht den gesetzlichen Betreuer, der seitdem ihre finanziellen Belange regelt und auch für ihre Wohnsituation und gegebenenfalls auch für gesundheitliche Angelegenheiten zuständig ist.

Melanie fühlte sich überfahren von der Entscheidung. "Das Gericht hat gar nicht berücksichtigt, dass ich nach dem Klinikaufenthalt ganz viel in meinem Leben neu geregelt habe", sagt die junge Frau, bei der eine bipolare Störung sowie eine Schizophrenie diagnostiziert wurde. Die Berlinerin zog nach der Entlassung aus der Klinik in eine betreute Wohneinrichtung, bekam eine Einzelfallbetreuerin und steht unter regelmäßiger ärztlicher Kontrolle.

Rechtliche Betreuungen oft vermeidbar

"Oft könnten Menschen mit Hilfe von Assistenzleistungen zurechtkommen, kriegen aber stattdessen gleich einen gesetzlichen Betreuer", beobachtet Thomas Künneke von der Interessensvertretung Selbstbestimmt Leben in Deutschland (ISL) in Berlin, die Betroffene berät. Eine Studie des Forschungsinstituts IGES im Auftrag des Bundesjustizministeriums kam zu dem Ergebnis, dass bis zu 15 Prozent der rechtlichen Betreuungen vermieden werden könnten, wenn andere Hilfen effektiver genutzt würden. Das soll künftig besser werden. Der Bundestag berät derzeit eine Reform des seit 1992 geltenden Betreuungsrechts.

In der Betreuung werde häufig über den Kopf der Betroffenen hinweg entschieden, beobachtet Künneke. Melanie bestätigt, dass ihr Betreuer kaum mit ihr über anstehende Entscheidungen spreche, sondern meist eigenständig handle. "Für ihn bin ich nur ein Fall, aber für mich geht es um mein Leben."

Wünsche der Betreuten kommen zu kurz

Dass viele Betreute sich übergangen fühlen, beobachtet auch die Präsidentin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele. Dabei sieht auch das geltende Betreuungsrecht die Beteiligung Betroffener an Entscheidungen vor. Der Reformentwurf stelle aber viel deutlicher klar, dass es sich bei der rechtlichen Betreuung um Unterstützung für den Betroffenen handele und nicht um Bevormundung, sagt Bentele.

"Es zieht sich wie ein roter Faden durch den Gesetzentwurf, dass die Wünsche der rechtlich betreuten Personen an vielen Stellen des Betreuungsverfahrens festzustellen sind und Richtschnur für das Handeln der Gerichte und der Betreuer sein müssen." Das sei ein Fortschritt. Allerdings sehe die Reform keine zusätzlichen niedrigschwelligen Beratungsstellen für Betroffene vor, die jedoch aus Sicht des VdK notwendig seien. Denn in der Regel wüssten die Betroffenen nicht, welche Folgen eine gesetzliche Betreuung für sie habe. "Und wenn Menschen Probleme mit dem Betreuer haben, wissen sie in der Regel nicht, an wen sie sich wenden können."

"Positiv ist hingegen, dass es künftig Registrierungsvoraussetzungen für die Betreuer geben soll", sagt Bentele. Bislang bestehen für Berufsbetreuer keinerlei Anforderungen hinsichtlich ihrer Ausbildung oder persönlichen Eignung. Neben vielen engagierten und qualifizierten Betreuern gebe es auch immer wieder solche, die zu viele Klienten annähmen, so dass für den persönlichen Kontakt kaum Zeit bleibe. Immer wieder sorgen auch Fälle von einzelnen Betreuern für Schlagzeilen, die Klienten sogar finanziell schädigen.

Zulassungsverfahren für Betreuer

Der Bundesverband der Berufsbetreuer/innen fordert deshalb seit Jahren ein Zulassungsverfahren für Betreuer ähnlich wie bei Ärzten oder Rechtsanwälten. Der Gesetzentwurf sieht nun ein Registrierungsverfahren vor, zu dem auch ein Sachkundenachweis gehört. Das setze aus Sicht des Verbandes zwar zu niedrig an, sagt Geschäftsführer Harald Freter. "Aber es ist ein erster Schritt in die richtige Richtung."

Einmal in der Betreuung war es bislang für Betroffene mitunter schwierig, wieder herauszukommen. Denn die Gerichte können die Betreuung für bis zu sieben Jahre anordnen, bevor sie überprüft werden muss. "Ein Rahmen, der viel zu oft ausgeschöpft wird", kritisiert Bentele. Die Reform sieht vor, die Überprüfung künftig nach maximal drei Jahren vorzuschreiben.

Im Fall von Melanie hatte das Gericht sogar angeordnet, die Betreuung nach nur zwei Jahren zu überprüfen. "Wahrscheinlich, weil ich noch relativ jung bin", vermutet sie. Die zwei Jahre sind nun bald vorbei. "Aber ob da auch etwas überprüft wird, weiß ich nicht. Ich habe von meinem Betreuer nichts gehört."

Claudia Rometsch