München (epd). Von Angehörigen zu Hause gepflegte Menschen müssen bei einer wiederholt unter-lassenen Pflegeberatung mit der Streichung ihres Pflegegeldes rechnen. Das hat das Bayerische Landessozialgericht (LSG) in München in einem am 23. Oktober veröffentlichten Urteil im Fall einer aus dem Raum Bayreuth stammenden Frau entschieden.
Nach den Bestimmungen des Sozialgesetzbuches XI müssen Pflegebedürftige, solange ihnen Pflegegeld anstelle häuslicher Pflegehilfe gewährt wird, regelmäßig eine Pflegeberatung nutzen. Pflegen Angehörige den Betroffenen in seinem Wohnumfeld, ist bei Pflegegrad 2 und 3 eine halbjährliche und bei Pflegegrad 4 und 5 eine vierteljährliche Pflegeberatung durch einen zugelassenen Pflegedienst oder einer anerkannten Beratungsstelle vorgesehen - und zwar in den eigenen vier Wänden. Die Beratungspflicht dient der Sicherung der Qualität, so der Gesetzgeber.
Im Streitfall wurde die Klägerin wegen einer schweren Depression und einer Wirbelsäulenerkrankung mit dem Pflegegrad 3 eingestuft. Die Frau wurde von ihrem Ehemann zu Hause gepflegt. Für die häusliche Pflege stand ihr Pflegegeld zu.
Anfang 2019 wies die Pflegekasse darauf hin, dass die Frau die gesetzlich vorgeschriebene Pflegeberatung in ihrem Wohnumfeld in Anspruch nehmen müsse. Ohne einen solchen Beratungsnachweis müsse das Pflegegeld um 25 Prozent gekürzt werden. Als die Frau dem nicht nachkam und auch später keinerlei Nachweise über Beratungen vorlegte, wurde ihr Pflegegeld erst gekürzt und dann ganz gestrichen.
Zu Recht, befand jetzt das LSG. Ohne Pflegeberatung müssten die Kassen das Pflegegeld "angemessen" kürzen. So habe das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel "auf den ersten Verstoß hin" eine Kürzung um 25 Prozent als nicht unangemessen angesehen. Hier habe die Klägerin wiederholt die Beratung nicht "in der eigenen Häuslichkeit" stattfinden lassen, so dass das Pflegegeld ganz gestrichen werden durfte.
Das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung werde mit der verbindlichen Pflegeberatung in den eigenen vier Wänden nicht verletzt, befand das Gericht. Die Klägerin habe mit ihrem Pflegegeldantrag der Beratungspflicht zu Hause zugestimmt. Ein unverhältnismäßiger Eingriff sei das nicht.
Auch liege keine Bevormundung vor. Solange die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung sichergestellt sei, sei es Sache des Pflegebedürftigen und der pflegenden Angehörigen zu entscheiden, ob sie die in der Beratung erhaltenen Empfehlungen des Pflegedienstes dann auch umsetzen.
Az.: L 4 P 50/19