sozial-Politik

Hartz IV

Linke: Wohnkosten werden oft nicht voll erstattet




Viele Hartz-IV-Bezieher müssen bei den Wohnkosten draufzahlen.
epd-bild/Jürgen Blume
Per Gesetz ist vorgeschrieben, dass Menschen, die Hartz IV beziehen, sogenannte Aufstocker und bedürftige Rentnerinnen und Rentner, ihre Wohnkosten von den Behörden in voller Höhe erstattet bekommen. Doch das ist oft nur Theorie, wie die Linkspartei jetzt recherchiert hat.

Die Linke hatte die Bundesregierung befragt, wie viele Haushalte die Wohnkosten nicht in vollem Umfang bezahlt bekommen. Ergebnis: Betroffen waren 2019 fast 500.000 von 2,9 Millionen Bedarfsgemeinschaften, wie die Linksfraktion berichtete. Sie bezieht sich auf eine Antwort der Regierung, die noch nicht veröffentlicht wurde. 518 Millionen Euro wurden demnach Hartz-IV-Beziehenden an Wohnkosten vorenthalten, weil sie nicht als angemessen gelten. Die Folge: Die Hilfebezieher müssen die Differenz aus der eigenen Tasche bezahlen.

"Das ist ein Skandal und nicht hinnehmbar", sagte die Parteivorsitzende Katja Kipping. Die Kommunen müssten die Angemessenheit deutlich großzügiger bemessen. "Außerdem müssen im ersten Jahr alle anfallenden Wohnkosten den Betroffenen komplett erstattet werden", so ihre Forderung.

Umstritten ist, was als angemessen gilt

Rechtliche Grundlage ist der § 22 Absatz 1 des SGB II. Danach werden die Wohnkosten in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, sofern sie angemessen sind. Wann das der Fall ist und wann nicht, entscheiden die Kommunen in eigener Verantwortung. Die Gründe dafür seien vielfältig, wie die Bundesregierung in ihrer Antwort, die dem epd vorliegt, anmerkt. Aber: "Die jeweiligen Ursachen für die Abweichung tatsächlicher und anerkannter Kosten im Bewilligungsverfahren können anhand statistischer Daten nicht identifiziert werden."

Katja Kipping verweist auf die sozialen Folgen dieser "Wohnkostenlücke". Das fehlende Geld müssten sich die Betroffenen vom Munde absparen, um die Miet- und Nebenkosten tragen zu können. Umgerechnet auf die Bedarfsgemeinschaften lag der Fehlbetrag bei monatlich 86 Euro. Um das zu verhindern, müssten bundesweit verbindliche Kriterien für die Kosten der Unterkunft und Heizung festgelegt werden, die auch tatsächlich ausreichten, um eine taugliche Wohnung zu bezahlen.

Im schlechtesten Fall droht ein Umzug

"Hartz-IV-Beziehende, die überwiegend in schlechter, ungesunder Wohnlage leben, werden also nicht nur von den Regelsätzen in Armut getrieben. Sie müssen sich auch einen Teil der Wohnkosten vom Munde absparen - oder ihre Wohnung verlassen", so Kipping.

Neu ist dieses Phänomen nicht. Die Linke hat folgende Daten ermittelt: 2017 sparten die Kommunen durch die nicht vollständig erstatteten Wohnkosten 561 Millionen Euro ein, 2018 538 Millionen Euro. Seit dem Beginn der statistischen Erfassung 2011 bis 2019 insgesamt 5,3 Milliarden Euro.

Für die Linke sei das ein exemplarisches Beispiel dafür, dass Hartz IV grundlegend überwunden werden müsse, durch gute Arbeit und eine sanktionsfreie Mindestsicherung von mindestens 1.050 Euro netto im Monat.

Dirk Baas