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Corona

Caritas-Präsident kritisiert den Begriff der "Systemrelevanz"




Peter Neher
epd-bild/Anke Jacob/Deutscher Caritasverband

Der Präsident des Deutschen Caritasverbandes, Peter Neher, hält den Begriff "systemrelevant" für problematisch. Dahinter stehe eine Haltung, "die bestimmte Bereiche gegenüber anderen hervorhebt und letztlich bewertet", sagte er am 16. Oktober nach der Delegiertenversammlung des katholischen Wohlfahrtsverbandes in Berlin. Systemrelevant sind nach offiziellen Definitionen alle Berufe aus Bereichen, die zur kritischen Infrastruktur gehören wie etwa die Pflegebranche.

Es sei gut, dass die Öffentlichkeit gerade die Bedeutung sozialer und pflegerischer Berufe in der Pandemie wiederentdecke, sagte der Theologe. "Aber es wäre ziemlich fatal, wenn dabei all jene Institutionen wie die Kirchen oder auch das Theater oder das ehrenamtliche Engagement in den vielen Vereinen als irrelevant betrachtet würden", warnte er. Diese machen das Zusammenleben lebenswert und helfen den Menschen, einen Sinn zu erschließen, wie der Caritas-Präsident sagte.

"Gelebte Kirche" in der Pandemie

Neher zitierte eine Formulierung der Kunsthalle Karlsruhe mit ihrer Ausstellung "Systemrelevant?": "Wie sähe denn eine Gesellschaft aus, wenn alles 'Nicht-Systemrelevante' - Geschichten und Humor, Mode, Sportschau und Lieblingsplaylists, Existenzfragen und Horizonterweiterung - wegbräche?", fragte er.

Gleichzeitig lobte der Caritas-Chef das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Diakonie und der Caritas. Ihre Arbeit in der Pandemie sei "gelebte Kirche". "Es wird mit enormem Einsatz und Innovationsgeist alles getan, damit Menschen in Not weiterhin begleitet werden können, aber das hat einen hohen Preis", sagte er mit Bezug auf die Caritas.

Verschiedene Einrichtungen kämen mittlerweile finanziell in Bedrängnis. In den Werkstätten für Menschen mit Behinderung drohten beispielweise aufgrund der schlechten Auftragslage "tiefe wirtschaftliche Einschnitte", sagte Neher. Auch kleinere Reha-Einrichtungen und Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe kämen in finanzielle Schwierigkeiten. Umso wichtiger sei es, dass die Schutzschirme für die soziale Infrastruktur über den 31. Dezember verlängert werden.