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Corona

Pflegeheimbewohnerin klagt erfolgreich gegen Isolation



Eine Pflegeheimbewohnerin im Kreis Lippe hat erfolgreich gegen eine coronabedingte Isolationsanordnung geklagt. Das private Interesse der Antragstellerin, von einer Isolierung verschont zu bleiben, überwiege gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der Allgemeinverfügung, erklärte das Verwaltungsgericht Minden in einer am 15. Oktober veröffentlichten Eilentscheidung. Zudem sei die Verfügung teilweise "offensichtlich rechtswidrig". Die Deutsche Stiftung Patientenschutz begrüßte die Entscheidung.

Nach der Verordnung zum Schutz von Pflegeeinrichtungen können pflegebedürftige Menschen, bei denen eine Infektion mit dem Coronavirus nicht ausgeschlossen werden kann, nach den Empfehlungen des Robert Koch-Instituts getrennt von den anderen Bewohnern einer Pflegeeinrichtung untergebracht und gepflegt werden. Das Verwaltungsgericht Minden gab einem Eilantrag für eine aufschiebende Wirkung gegen die Allgemeinverfügung des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums zum Schutz von Pflegeeinrichtungen statt.

Untaugliche Ermächtigungsgrundlage

Für die umstrittene Isolierungsanordnung fehle es an einer tauglichen gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage, erklärte das Gericht. Nach derzeitiger Ausgestaltung der Regelung soll die Pflegeeinrichtung selbst entscheiden, wer isoliert werde. Nach Auffassung des Gerichts müsse jedoch die zuständige Behörde prüfen, ob die Voraussetzungen einer Isolierung vorliegen und dürfe dies nicht der jeweiligen Einrichtungsleitung überlassen. Eine solche Entkoppelung von einem behördlichen Entscheidungsprozess sei im konkreten Fall rechtswidrig.

Wegen des hochwertigen Schutzguts der Gesundheit des menschlichen Lebens sei es zwar grundsätzlich denkbar, die Pflegeeinrichtung bei der Umsetzung einer Isolierung einzubeziehen, führte das Gericht aus. Dazu wäre jedoch eine Präzisierung nötig, unter welchen tatsächlichen Gegebenheiten eine Isolierung zu erfolgen habe. Gegen den Gerichtsbeschluss können die Parteien Rechtsmittel einlegen.

Eingriffe in Grundrechte

Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts habe Signalwirkung, sagte der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Wenn die Entscheidung von Minden rechtskräftig werde, habe "das Schwarze-Peter-Spiel vieler Landesregierungen ein Ende". Die Bundesländer müssten nun ihre Corona-Schutzverordnungen für Pflegeheime überprüfen.

In vielen Bundesländern sei das allgemeine Betretungsverbot aufgehoben und an die Einrichtungen delegiert worden, kritisierte Brysch. "Doch freiheitsentziehende Maßnahmen der Isolation bedürfen hoheitsrechtlicher Entscheidungen", unterstrich er. "Der Staat darf sich nicht vor der Verantwortung drücken, wenn es um Eingriffe in die Grundrechte der Pflegeheimbewohner geht."

Az.: 7 L 729/20



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