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Corona

Altenheime wieder für Besucher geschlossen




Besuch hinter einer Plexiglasscheibe (Archivbild)
epd-bild/Klaus Honigschnabel
Mit dem neuen Lockdown im Landkreis Berchtesgadener Land gilt auch in den Altenheimen wieder ein Besuchsverbot. Heimleiter befürchten zwar noch keine soziale Isolation ihrer Bewohner, hoffen aber vor allem auf ein baldiges Ende der Maßnahmen.

Noch ist Andrea Schnurrer ziemlich gefasst. "Das mit dem Besuchsverbot hört sich schlimmer an, als es ist", sagt die Altenheim-Leiterin aus Bischofswiesen. Die Gemeinde liegt im Landkreis Berchtesgadener Land. Der einzigen Kommune bundesweit, in der wegen Corona ein faktischer Lockdown herrscht. Auch das Caritas-Haus St. Felicitas ist seit 20. Oktober 14 Uhr geschlossen für Besucher, kein Angehöriger darf es mehr betreten, nur in strengen Ausnahmefällen. Ihren 44 Bewohnern "fällt das noch nicht auf", sagt Schnurrer. Zwei Wochen seien "kein Problem" - es dürfe allerdings "kein Dauerzustand" werden.

Besuchsverbote wie im Frühjahr

Noch sieht es nicht nach einem baldigen Ende der verschärften Kontaktbeschränkungen aus. Die Sieben-Tage-Inzidenz im Berchtesgadener Land lag bei 252, als am 19. Oktober über den Quasi-Lockdown entschieden wurde. Am 22. Oktober meldete das Robert Koch-Institut eine Inzidenz von 293.

Die Situation in den Alten- und Pflegeheimen im Landkreis erinnert ans Frühjahr, als bayernweit erstmals Besuchsverbote galten. Damals durften Heimbewohnerinnen und -bewohner teilweise acht Wochen lang ihre Zimmer nicht verlassen, bekamen keine Angehörigen, Mitbewohner, Seelsorger zu Gesicht. Die Angst war groß, dass pflegebedürftige, alte Menschen kaum erträgliche seelische Belastungen erleiden oder gar in ihrer letzten Lebensphase einsam sterben müssen - vielfach wurde das auch Realität. Seitdem gab es zahlreiche Forderungen, bei einem neuerlichen Lockdown das Thema anders zu handhaben.

So wünschte sich der frühere Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, der Erlanger Theologe Peter Dabrock, "mehr Kreativität" im Umgang mit Schutzmaßnahmen in den Heimen. Bei der ethischen Abwägung gegen den Infektionsschutz müsse die Selbstbestimmung der Senioren wieder mehr ins Zentrum rücken.

"Begleitung Sterbender zulässig"

Die Diakonie Bayern tut sich mit Forderungen an die Politik schwer. "Natürlich sind Begegnung und Berührung ein menschliches Grundbedürfnis", sagt Diakonie-Sprecher Daniel Wagner. Doch es gehe um eine Interessensabwägung: "Wir haben auch eine Verantwortung für unsere Mitarbeiter." Bei den mehr als 200 Senioreneinrichtungen der bayerischen Diakonie lasse sich nur vor Ort entscheiden, "was umsetzbar und vertretbar ist".

Die neue Allgemeinverfügung im Berchtesgadener Land, die vorerst bis 2. November gilt, verbietet Besuche in Heimen. Als Ausnahme regelt sie, dass "die Begleitung Sterbender oder von Personen in akut lebensbedrohlichen Zuständen durch den engsten Familienkreis (...) jederzeit zulässig" sei.

Es wird eifrig geskypt

Seit Mai waren dort Besuche, wie in ganz Bayern, eingeschränkt möglich. Angehörige mussten registriert, Besuchszahlen erfasst und das Einhalten der Maskenpflicht überwacht werden. Das AWO-Seniorenzentrum in Freilassing entwickelte ein Besuchskonzept mit Ampelsystem, das sich an den Infektionszahlen orientiert und auch Kontakt auf den Bewohnerzimmern vorsieht, wie AWO-Sprecherin Linda Quadflieg-Kraft erläutert.

Mit diesem Kontakt ist es nun erstmal vorbei. Doch es wirkt so, als habe man aus dem ersten Lockdown gelernt. Sowohl im Haus St. Felicitas als auch im AWO-Zentrum dürfen die Bewohner ihre Zimmer weiter verlassen, sich auf ihrer Etage frei bewegen und unter Beachtung der Abstandsregeln im ganzen Haus. "Eine Gefahr der sozialen Isolation sehe ich nicht, weil die Leute sich treffen können", sagt Schnurrer. Aktivitäten in kleineren Gruppen bleiben laut Quadflieg-Kraft möglich. Es fänden viele Gespräche statt und eine intensive Betreuung.

"Außerdem telefonieren unsere Bewohner im Moment wieder besonders häufig mit ihren Angehörigen." Im Haus St. Felicitas wird eifrig geskypt. Trotz der etwas besseren Voraussetzungen "können wir natürlich die Angehörigen nicht ersetzen", sagt Schnurrer.

Christine Ulrich


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