Tübingen, Berlin (epd). Jeder will vor einer Reise wissen, ob er auch Chancen hat, wirklich anzukommen. Für Rollstuhlfahrer kann das etwa daran scheitern, dass es auf dem Weg ins Hotel oder Restaurant unüberwindbare Stufen gibt. Das Projekt Wheelmap bereitet Stadtpläne auf, die über Barrierefreiheit informieren. Mitmachen können bei diesem Gemeinschaftsprojekt alle, die Orte nach ihrer Rollstuhltauglichkeit bewerten möchten. Einer der Unterstützer ist der Tübinger Melle Jansen.
"Wheelmap kennen noch zu wenige Leute", findet Jansen. Das Projekt arbeitet mit Kartenmaterial von Open Street Map. Dort können Nutzer Bewertungen eintragen, etwa für Restaurants, Toiletten, Arztpraxen oder andere Gebäude. Bewertet wird nach einem Ampelsystem. Grün steht für rollstuhlgerecht, was bedeutet, dass Eingänge und Räume stufenlos erreichbar sind. Gelb bedeutet "teilweise rollstuhlgerecht" und Rot "nicht rollstuhlgerecht". Noch nicht bewertete Orte sind grau unterlegt - hier braucht es also noch Menschen, die eine Bewertung vornehmen.
Der Sozialarbeiter Jansen, der Menschen beim ambulanten Wohnen betreut, hat sich das hügelige Tübingen vorgenommen und zwei Stadtviertel ausgewählt: das Französische Viertel und die Südstadt. Die Anzahl der Stufen und ihre Höhe fließen bei der Beurteilung ein. Führen mehrere Stufen zur Tür, ist eine Einstufung als "rollstuhltauglich" nur möglich, wenn es als Alternative einen ebenen Hintereingang gibt.
Ist nur eine Stufe vorhanden, darf sie nicht höher als sieben Zentimeter sein: Diese Maximalhöhe können Rollstuhlfahrer selbstständig überwinden. Abhilfe bei höheren Stufen sollen Rampen bringen, doch das klappt nicht immer. "Liegt der Steigungswinkel bei sechs Prozent, muss ein Rollstuhlfahrer viel Kraftaufwand aufbringen, um diese Rampen zu meistern", erklärt Jansen. Auch andere Barrieren berücksichtigt er. Das können eine zu schmale Tür sein oder eine Klingel, die zu hoch angebracht ist.
Nach Angaben von Wheelmap gibt es in Deutschland 1,6 Millionen Rollstuhlfahrer. Die Informationen des Projekts sind auch für andere nützlich, die mit Hindernissen kämpfen müssen, etwa für Menschen mit Rollator oder Kinderwagen. Laut Jansen ist das globale Projekt in vielen Sprachen verfügbar, darunter Englisch, Türkisch sowie Japanisch, und verzeichnet täglich 300 neue Einträge.
Die Idee dafür stammte von dem Berliner Behinderten-Aktivisten Raul Krauthausen, der wegen seiner Glasknochen-Krankheit einen Rollstuhl braucht. Der studierte Kommunikationswirt startete damit, weil ein Freund sich beschwerte, dass sie sich immer im selben Restaurant trafen. Beide hätten nicht gewusst, in welcher anderen Lokalität ein Treffen möglich gewesen wäre. Aus dieser Überlegung heraus entwickelte sich Wheelmap. Seit 2010 gibt es das digitale Projekt, das vom Verein Sozialhelden betreut wird. Krauthausen ist Vereinsvorsitzender.