sozial-Branche

Corona-Krise

Sozialverbände dämpfen Erwartungen an Heimbesuche




Ständchen in Corona-Zeiten: Alphornbläser vor einem Altenzentrum in Idstein
epd-bild/Heike Lyding
Besuche in Altenheimen sollen bald wieder möglich sein. Sozialverbände begrüßen die Lockerung, verweisen aber auch auf weiterhin nötige Schutzmaßnahmen. Das betrifft auch den Muttertag.

Sozialverbände dämpfen die Erwartungen auf flächendeckende Besuche in Altenheimen bereits ab dem 10. Mai (Muttertag). Wegen der weiterhin geltenden Schutzvorschriften könnten nicht alle Besuche schon am Muttertag umgesetzt werden, erklärten die Diakonie Rheinland-Westfalen-Lippe und mehrere Caritasverbände in Nordrhein-Westfalen. Die Stiftung Patientenschutz beklagte, dass nicht eingehaltene Ankündigungen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen frustrierten.

"Wir freuen uns, dass Bewohnerinnen und Bewohner ihre Angehörigen nach sechs langen Wochen nach und nach wieder sehen können", sagte der Vorstand der Diakonie RWL, Christian Heine-Göttelmann. Es solle jedoch niemand erwarten, dass jetzt sofort alles so werde wie vor der Corona-Pandemie: "Wir werden uns an eine neue Normalität gewöhnen müssen."

Dazu gehörten klare Konzepte zum Schutz der Bewohner, der Mitarbeitenden und der Angehörigen. Die Mitgliedseinrichtungen der Diakonie müssten vor Ort mit den Gesundheitsämtern und den Kommunen zusammenarbeiten, um schnell sichere Lösungen zu finden.

Oft fehlt noch Schutzkleidung

Nicht alle Einrichtungen hätten genügend Platz, um große Besuchszelte vor den Gebäuden zu errichten, erklärte der Diakoniechef. In einigen Mitgliedseinrichtungen fehle es zudem immer noch an Schutzkleidung.

Die Landesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege NRW wies auf die Pflicht zur Einhaltung von strengen Hygienestandards und Besuchsregelungen hin. "Die Einrichtungen arbeiten mit aller Kraft, um Besuchsmöglichkeiten und Infektionsschutz zu gewährleisten", sagte der Voritzende Frank Joh. Hensel.

Zu Beginn der Lockerungen ließen sich noch nicht alle Besuchswünsche wie erhofft erfüllen. "Aus Gründen der Infektionsgefahr müssen die Kontakte leider reguliert werden." Besuchstrmine müssten in der Regel vorher vereinbart werden. Die Einrichtungen müssten beispielsweise Zelte, Container, Terrassen oder separate Räume herrichten und Hygieneschutzkonzepte umsetzen.

Auch mehrere Caritasverbände begrüßten die Lockerung bei den Besuchen in Alten- und Pflegeheimen. Es könnten jedoch nicht alle Angehörigen gleich am Muttertag in die Einrichtungen kommen, erklärte der Caritasdirektor für das Bistum Münster, Heinz-Josef Kessmann, am 6. Mai. Jedes Haus solle kurzfristig ein Konzept erarbeiten, in welchem Umfang und wie Besuche möglich seien. Es bleibe weiterhin nötig, dass Besuche vorher mit der jeweiligen Heimleitung abgestimmt werden.

Zahl der Besucher bleibt begrenzt

Nach den nach wie vor geltenden Schutzbestimmungen werde die Zahl von Besuchen pro Heim deutlich begrenzt, erklärte der Caritasverband des Erzbistums Paderborn. Jeder einzelne Besuch müsse aufwendig organisiert werden. Dazu gehörten die Ausstattung der Besucher mit Schutzmaterialien sowie ein gesundheitliches Screening, inklusive Temperaturmessen und Erfassung persönlicher Daten. Nur ein kleiner Teil der in einem Heim lebenden Menschen könne so gleichzeitig besucht werden.

"Grundsätzlich begrüßen wir den Schritt der Bundesregierung. Pflegeheime sind Wohnorte, keine Gefängnisse", sagte Hans-Joachim Lenke, Vorstandssprecher der Diakonie in Niedersachsen. "Viele Angehörige und Bewohner leiden unter den Besuchsverboten. Auch wenn die Pflegeeinrichtungen durch kreative Ideen, wie Besuche am Fenster, Videoschalten und Telefonate, versucht haben, den Kontakte aufrechtzuerhalten, so ist der persönliche Kontakt doch durch nichts zu ersetzen."

Dennoch Schutz der Bewohner sichern

Dennoch dürfe bei den beschlossenen Öffnungen der Schutz der Bewohner nicht vergessen werden. Auch deshalb fordert Lenke: "Die Nachvollziehbarkeit von Infektionsketten schützt die besondere Risikogruppe in unseren Pflegeheimen. Das bedeutet: regelmäßige Testungen von Mitarbeitenden und Bewohnern schafft Transparenz und bietet die Möglichkeit, schnell handeln zu können. Wünschenswert sind hier zweimal wöchentliche Testungen."

Der Sozialverband Deutschland begrüßte die Lockerungen ebenfalls. Sie seien "gut und notwendig". Um die Sicherheit in Einrichtungen weiterhin zu gewährleisten, seien aber dringend weiterführende Schutzkonzepte erforderlich. "Bund und Länder sind deshalb aufgerufen, jetzt die Erarbeitung von Schutzkonzepten einzufordern und die Einrichtungen zu unterstützen."

"Regierung produziert Frust"

Die Stiftung Patientenschutz kritisierte, dass Versprechen des Sozialministeriums nicht eingehalten würden. Am Muttertag sei oft kein Besuchstag. "So produzierte die Landesregierung Frust bei Pflegebedürftigen und Ihren Familien", sagte der Vorstand der Stiftung, Eugen Brysch, dem Evangelischer Pressedienst (epd).

NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) hatte am 5. Mai angekündigt, dass bereits zum Muttertag Besuche in Altenheimen und Wohnheimen der Behindertenhilfe wieder möglich sein sollen. Voraussetzung für diesen Schritt sei, dass wichtige Schutzmaßnahmen eingehalten werden. Zudem muss jede Einrichtung ein Besucher- und Hygienekonzept vorlegen, damit sie wieder geöffnet werden darf. Altenheime, die derzeit noch von Corona-Erkrankungen betroffen sind, sind von der Aufhebung des Besuchsverbots ausgenommen.

Holger Spierig