Hannover (epd). "Unsere Geduld ist am Ende und jetzt entscheiden die Pflegekräfte selbst, wie es weitergehen soll", sagte die SPD-Fraktionsvorsitzende Johanne Modder am 25. Februar bei einer Debatte über die Zukunft der umstrittenen Pflegekammer im Landtag in Hannover.
Für die CDU betonte der sozialpolitische Sprecher Volker Meyer: "Nur mit einer sofortigen Vollbefragung haben wir die Chance, verlorenen gegangenes Vertrauen zurückzugewinnen und eine Vertretung für unsere Pflegekräfte zu schaffen, die von ihnen gewollt ist und sich für eine bessere Pflege in Niedersachsen einsetzen kann."
In der vergangenen Woche waren erhebliche Konflikte innerhalb der Kammer bekanntgeworden. Präsidentin Sandra Mehmecke unterlag bei einer von ihr selbst initiierten Vertrauensabstimmung im Leitungsgremium mit 14 zu 13 Stimmen und bot ihren Rückzug zum 17. März an. Zuvor war bereits einem Interims-Geschäftsführer gekündigt worden.
Dazu heißt es auf der Homepage der Kammer: "In der nächsten ordentlichen Sitzung der Kammerversammlung wird die Kammerpräsidentin die Wahlen entsprechend der Satzung einleiten. Sandra Mehmecke bietet dabei ihr Mandat an, genau wie die Vorstandsmitglieder Jochen Berentzen und Andreas Dörkßen - und dann wählt die Kammerversammlung."
Die Versammlung beschloss zudem, eine vom Land gewährte nachträgliche Anschubfinanzierung in Höhe von sechs Millionen Euro anzunehmen, um die Mitgliedschaft für die Jahre 2018 bis 2020 rückwirkend beitragsfrei zu gestalten. Sie behielt sich aber vor, künftig jedes Jahr neu zu entscheiden, ob Beiträge erhoben werden sollen.
SPD und CDU, die sich zum Jahresende für die Anschubfinanzierung stark gemacht hatten, pochten nun darauf, dass die Kammer dauerhaft beitragsfrei bleibt. Modder forderte zudem einen personellen Neustart. Meyer sagte, die Kammer sei in ihrer jetzigen Form nicht arbeitsfähig. Bereits seit mehr als einem Jahr gibt es massive Kritik von Mitgliedern an der Pflichtmitgliedschaft in der Kammer und an der Höhe der Beitragsbescheide.
Sozialministerin Carola Reimann (SPD) sagte, vor diesem Hintergrund werde die Firma Kienbaum im Rahmen der derzeit laufenden Evaluation der Pflegekammer im März rund 78.000 Pflegekräfte in Niedersachsen fragen, ob sie eine beitragsfreie Pflegekammer grundsätzlich wollen. "Damit haben die Pflegekräfte selbst die Möglichkeit zu entscheiden, ob sie eine Kammer als Interessenvertretung akzeptieren. Dieses Votum wird für uns bindend sein." Erste Ergebnisse lägen Mitte April vor. "Es gibt also eine klare und eindeutige Frage, ob es die Kammer weiter geben soll", sagte Reimann. Das Votum werde dann bindend sein.
Der Pflegekammer gehören nach eigenen Schätzungen rund 90.000 Pflegefachkräfte an. Pflegefachkräfte mit Abschlüssen in der Altenpflege, Gesundheits- und Krankenpflege sowie der Kinderkrankenpflege sind Pflichtmitglieder. Die Kammer soll die größte Berufsgruppe im Gesundheitswesen berufspolitisch vertreten.
Die Einrichtung von Pflegekammern ist seit Jahren umstritten. Landesregierungen wie auch Gewerkschaften stehen den Kammern nicht selten ablehnend gegenüber. Bislang gibt es diese Kammern nur in den Bundesländern Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und Schleswig-Holstein.
Bayern geht bewusst einen abweichenden Weg. Dort wurde die "Vereinigung der Pflegenden in Bayern" ins Leben gerufen, in dem auch die Gewerkschaft ver.di vertreten ist. "Wir zeigen, dass es eine Alternative zur Pflegekammer gibt, bei der Pflegekräfte freiwillig Mitglied sind und keine Beiträge zahlen müssen", so ver.di-Landesfachbereichsleiter Robert Hinke. Neben einzelnen Pflegekräften können sich der Vereinigung - anders als in Pflegekammern - auch Verbände anschließen.
Auch eine Bundespflegekammer soll entstehen. Im Juni 2019 fand in Berlin dazu die konstituierende Sitzung statt. Die drei bestehenden Landespflegekammern haben gemeinsam mit dem Deutschen Pflegerat die Pflegekammerkonferenz gegründet. "Sie ist die berufspolitische Interessenvertretung der Pflegefachberufe auf Bundesebene, dient der länderübergreifenden Kommunikation sowie der Harmonisierung von Ordnungen. Sie vernetzt die Aktivitäten der bestehenden Landespflegekammern. Als Arbeitsgemeinschaft der Pflegekammern arbeitet sie aktiv an pflege- und gesundheitspolitischen Entscheidungen auf Bundesebene mit", heißt es auf deren Homepage.