sozial-Thema

Häusliche Pflege

Digitale Helfer für daheim kaum erstattungsfähig



Für Pflegebedürftige hält der Markt inzwischen eine Vielzahl digitaler Hilfsmittel bereit. Von den Kassen bezahlt werden diese bisher aber so gut wie nie. Dabei könnten damit sogar Kosten eingespart werden, sagen Verbraucherschützer.

Ortungssysteme für Demenzkranke, Sturzerkennungen für Senioren und Abschalteinrichtungen für den Herd: Pflegebedürftige finden auf dem Markt eine Vielzahl nützlicher Helfer für ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden. Doch die digitalen Helfer werden nach Angaben von Verbraucherschützern bisher so gut wie nie von den Pflegekassen bezahlt. Verbraucherschützer und Experten fordern deshalb gesetzliche Änderungen im Sozialgesetzbuch. Ähnlich äußerten sich auch die Grünen.

Vorstand Klaus Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband sagte am 12. Februar in Berlin, Hilfsmittel wie Uhren mit Ortungsfunktion, digitale Erinnerungsgeräte zur Medikamenteneinnahme und Fußmatten mit akustischem Signal zur Sturzerkennung würden bisher von den Pflegekassen nicht finanziert. Bei solchen Assistenzsystemen handele es sich jedoch nicht um "technisches Spielzeug, sondern kleine Helfer mit großer Wirkung". Sie unterstützen Pflegebedürftige dabei, möglichst lange ein selbstbestimmtes Leben in den eigenen vier Wänden zu führen.

Kassen sollten Pflege daheim vorrangig ermöglichen

Die Kassen hätten den Auftrag, die häusliche Pflege vorrangig zu ermöglichen. Daher dürfe die Digitalisierung "nicht an der Pflege vorübergehen", mahnte Müller. Umfragen hätten eine große Aufgeschlossenheit in der Bevölkerung für digitale Assistenten in der Pflege belegt. Deren Potenziale würden bisher aber nur unzureichend genutzt. "Wenn digitale Pflegehelfer den Umzug in ein Pflegeheim hinauszögern oder gar verhindern, bedeutet das eine deutliche finanzielle Entlastung der Pflegebedürftigen und ihrer Angehörigen", sagte Müller.

Nach seinen Worten kommt ein aktuelles Rechtsgutachten im Auftrag des Verbraucherzentrale Bundesverbandes zu dem Schluss, dass die digitalen Assistenzsysteme bislang kaum erstattungsfähig sind, weil sie nicht im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind. Die Kassen dürften sie nicht bezahlen.

Anwalt fordert Änderungen in der Gesetzgebung

Nötig seien deswegen Änderungen in den Sozialgesetzbüchern (SGB) V und XI durch den Gesetzgeber, zumal sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag darauf verständigt habe, die pflegerische Versorgung durch digitale Technologien zu verbessern. Das Thema Kostenerstattung sei die Bundesregierung allerdings bisher nicht angegangen.

Rechtsanwalt Christian Dierks, der das Gutachten erstellt hat, schlug konkrete Neufassungen der Sozialgesetzbücher vor. Abgehoben werden müsse dabei auf den "pflegerischen Nutzen" der jeweiligen Hilfsmittel. Dierks hatte sechs Kategorien von Helfern untersucht, vom Wendebett über Ortungssysteme mit integriertem Notruf, Sturzerkennungssysteme und Abschaltsysteme für Haushaltgeräte und Herd bis hin zu digitalen Anwendungen zur Verbesserung körperlicher und kognitiver Fähigkeiten sowie digitalen Remindern für Essen und Trinken. Außer Hausnotruf und Wendebett dürfe davon bisher nichts von den Pflegekassen erstattet werden.

Daher, so Dierks, müsse der Gesetzgeber handeln: "Es geht nicht darum, Lifestyle- oder Smart-Home-Produkte zum Leistungskatalog der Kassen zu machen, sondern den Betroffenen dabei zu helfen, ein möglichst eigenständiges Leben zu führen."

Bewährte Hilfssysteme auch erstatten

Maria Klein-Schmeink, Sprecherin der Grünen für Gesundheitspolitik, forderte eine öffentliche Debatte darüber, "nach welchen Werten und Zielen die Digitalisierung der Pflege gestaltet werden soll, denn die Digitalisierung muss nach den Bedürfnissen der Nutzerinnen und Nutzer gestaltet werden und darf kein Selbstzweck sein". Active-Assisted-Living Systeme wie Hausnotrufsysteme könnten einen echten Mehrwert bringen und ein würdiges Altern Zuhause ermöglichen. "Wenn die Systeme einen Nutzen nachweisen und Datensicherheit und Datenschutz gewährleisten, ist es nur konsequent, wenn sie auch von den Kranken- und Pflegeversicherungen übernommen werden können", so die Expertin.

Nach Angaben des des Verbraucherzentrale Bundesverbandes werden 76 Prozent der 3,4 Millionen Pflegebedürftigen in Deutschland zu Hause von Angehörigen oder Pflegediensten versorgt.

Jens Büttner